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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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nichts.
    Er lachte halblaut, nahm sie gar nicht wahr.
    Sie lief mit verschränkten Armen hin und her. Ihre Schuhe klackten laut auf dem Parkett. Ab und zu wendete sie den Kopf in seine Richtung, wo er von ihr abgewandt dasaß, auf dieser elenden Ledergarnitur, wo er mehr als sein halbes Leben zubringen würde, um auf diese ewig gleichen Hügel zu starren. Erbärmlich. Sein Lachen hatte sie wütend gemacht und sie spürte die Hitze im Gesicht. Sicher hatte sie wieder diese unvorteilhaften roten Flecken auf den Backen, die ihr die kühle Ausstrahlung nahmen, um die sie so bemüht war. Hier und jetzt war es egal, niemand konnte es sehen. Das Klacken ihrer Absätze wurde lauter. War er schon betrunken?
    »Sie werden wiederkommen«, sagte er tonlos, als hätte er ihre Gedanken ahnen können.
    Sie blieb stehen. Stille trat ein.
    Er drehte den Oberkörper halb zur Lehne und legte den Arm um den Lederwulst, als hielte er eine Geliebte. Da stand sie – seine Frau – schön und stolz. Heute hatte sie ihn zweimal angefasst und er hatte tatsächlich überlegt, ob er sich ihrer Berührung nicht hätte entledigen sollen. Das erste Mal war es im Hausgang geschehen, wo sie ihren Arm unter den seinen geschoben hatte, und dann am Tisch, als sie ihre Hand auf seinen Arm legte. Es sah so aus, als sorge sie sich um ihn, doch er wusste, sie hatte es in den Momenten getan, in denen sie selbst höchste Angst empfand und einen Halt suchte. Es war ihr um sich selbst gegangen – nicht um ihn. Das machte ihn böse. Er hätte sie wegstoßen sollen, doch die Angst vor der Scham, die er einer solchen Szene wegen vor den Polizisten empfunden hätte, die war größer gewesen als der Genuss an einer solchen Zurückweisung vor Publikum.
    Jetzt, wo er sie so dastehen sah, mit diesem ernsten Blick, den verschränkten Armen, dieses Defensive, das ihr so gar nicht eigen war – jetzt wurde ihm klar: Sie hatte wirklich Angst. Eine neue Erkenntnis, eine Überraschung geradezu, die zu erleben er nicht erwartet, auch nicht erhofft hätte. Dass sie einmal Angst haben könnte und es erkennen ließ? Der Triumph darüber war geschmälert von der Leere, die er empfand. Die letzte Bastion in seinem Leben, seine starke, unbeugsame, stolze Frau – sie hatte Angst.
    Er spürte das hämische Grinsen auf seinem Gesicht, als er sprach: »Wovor hast du eigentlich mehr Furcht? Vor dem, was Tobias getan hat, oder siehst du den Ruf und Erfolg deiner Werbeklitsche gefährdet?« Er stand auf, schüttete Whiskey in ein Glas, setzte sich wieder und starrte seine Hügel an.
    Sie hatte den Kopf gesenkt und ihm zugesehen. »Wo ist Tobias?«
    Er zuckte mit den Schultern und hob das Glas in einer provozierenden Geste. »Ich weiß es nicht, meine Liebe, ich weiß es wirklich nicht, aber sie werden ihn finden. Sie werden ihn finden, deinen Tobias. Hast du die dunklen Augen dieser Polizistin gesehen, wie sie glühten. Sie wird ihn finden.«
    »Ich werde Thomas anrufen«, sagte sie.
    Er lachte laut auf. »Haha, jawohl! Na darauf habe ich ja wirklich gewartet, dass der heilige Thomas wieder ins Rennen geschickt wird. Was er nicht schon alles für den Jungen getan hat, dein Herr Spezlanwaltbruder. Ja, ruf ihn an!«, er drehte sich um und schrie, »ruf ihn an! Geh und ruf ihn an! Geh … doch … endlich!«
    Sie zitterte: »Du bist ja besoffen.«
    »Noch lange nicht, noch lange nicht«, er drehte sich ganz um, kniete nun auf der Sitzfläche und ließ den Oberkörper flegelhaft über die Lehne hängen; sein linker Arm fuchtelte, als bedürfe sein Reden eines Dirigats. »Wieso rufst du Thomas an, wieso, he? Ich weiß es, ich weiß es. Weil du nicht ein Mal, nicht ein einziges Mal daran gezweifelt hast, an dem, was diese Polizisten vermuten. Du bist gar nicht in die Nähe eines Zweifels gelangt, hast nie behauptet sie hätten Unrecht, ihr fürchterlicher Verdacht sei aus der Luft gegriffen und deinem Sohn Tobias wäre es nicht zuzutrauen eine Frau verschwinden zu lassen und zu töten. Nein, du hast kein einziges Mal all das auf überzeugende Weise infrage gestellt. Und soll ich dir etwas sagen!? Auch ich habe nicht eine Sekunde daran verschwendet mir vorzustellen, er würde unschuldig verfolgt. Eine Frau ist verschwunden, spurlos, er hat sie gekannt, ihr aufgelauert … wir beide wissen, was geschehen ist und was er für ein Kerl ist. Das haben wir jetzt im Haus – einen Mörder, ja! Wovor hast du also mehr Angst – davor, die Mutter eines Mörders zu sein, oder vor den

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