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Marienplatz de Compostela (German Edition)

Marienplatz de Compostela (German Edition)

Titel: Marienplatz de Compostela (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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Gewissen, dass wir nicht mehr von ihr gefunden haben, auch wenn das dumm ist – du verstehst was ich meine?«
    Bucher erschrak über seine Distanz zu dem Fall, denn das Bein war bisher nicht mehr als ein Beweisstück für ihn gewesen. Den restlichen Körper, die Oberschenkel, die Hüfte, Leib, Arme und Kopf – das Lachen, Sprechen und Menschsein –, das war ihm bisher nicht nahegekommen. »Mensch Lara … Betriebsblindheit. Ich will sehen, ob ich jemanden von der Krisenintervention oder der Polizeiseelsorge erreichen kann.« Er begann sofort nach der Telefonnummer zu suchen.
    »Gute Idee. Was ist eigentlich mit deinem Pfarrer … diesem Peter Manner, kann der nicht …?«
    Bucher schüttelte den Kopf. »Nein. Krankenhaus … hatte eine Herzmuskelentzündung … ist außerdem nicht mein Pfarrer … und es wird Zeit, dass ich ihn endlich da draußen besuche.«
    Er drückte die Telefonnummer in die Tastatur und lauschte auf, ob jemand ranging.
    »Wo liegt er denn?«, fragte sie, »wir könnten da doch vorbeischauen.«
    »Er ist nicht mehr im Krankenhaus, sondern auf Reha – Lauterbacher Mühle.«
    Sie pfiff leise und anerkennend. »Feine Adresse, da draußen an den Osterseen.«
    Am anderen Ende wurde abgenommen.
    Lara war zufrieden. Alleine hätte sie ihn wirklich nicht gehen lassen wollen.
    *
    Hartmann mied die Gegend um den Luise-Kiesselbach-Platz und nahm den Weg durch die Stadt. Er saß mit mürrischer Miene hinter dem Lenkrad und sah hinaus auf die verstopften Straßen, wo die anderen mit entsprechendem Ausdruck den Stau ertrugen. Das Risiko, Siebl nicht anzutreffen, war gering. Da er krank gemeldet war, sollte er zu Hause sein. Hartmann nahm trotzdem das Handy und wählte die Privatnummer. Vier Mal erfüllte das zittrige Tuten der Freisprechanlage den Fahrzeuginnenraum. Dann meldete sich eine energische Frauenstimme: »Siebl, hallo!«
    Hartmann drückte das Gespräch weg und grinste. »Mama Siebl ist zu Hause.«
    Lara saß still daneben und verfolgte kommentarlos sein Tun. Ihre Gedanken waren ganz beim vorläufigen Obduktionsbericht, der kurz vor ihrer Abfahrt per Fax gekommen war. Sie hatte ihn schnell überflogen, bevor sie losgefahren waren. Einer der ersten Sätze des Berichts gab darüber Auskunft, dass Nora Benders Bein mit großer Wahrscheinlichkeit abgetrennt worden war, als sie noch am Leben war. Der nüchterne Satz hatte sie schaudern lassen. Überhaupt verursachte ihr dieser Fall ein Grausen, das sie so noch nicht an sich erlebt hatte.
    Der Bericht erwähnte auch, dass die Trennstelle nicht fachmännisch gewählt worden war. Der Amputationsvorgang selbst war mit einem zwar scharfen Werkzeug durchgeführt worden, doch konnte keine Aussage getroffen werden, worum es sich dabei handelte. Quetschungen an den Geweberändern ließen ein massives und schweres Tatwerkzeug vermuten. Der Bericht konnte auch keine Antwort darauf geben, woher die zahlreichen Hämatome und Abschürfungen am Scheinbein und an der Wade stammten, die kurz vor Todeseintritt entstanden waren. Belegt war das durch die frischen Einblutungen. Ein vollständiger Bericht mit toxikologischem Befund würde nachgereicht, so lautete der letzte Satz, was auf eine umfangreichere Testreihe hindeutete. Es existierten also toxikologische Erstspuren – Drogen vielleicht, Medikamente?
    Sie erzählte Hartmann davon, der es kommentarlos aufnahm. Als er in die Ausfahrt Holzkirchen einfuhr, sagte er: »Bin mal auf die Kostenrechnung gespannt.«
    »Welche Kostenrechnung denn?«
    »Na, die von der Obduktion. Das kostet doch normalerweise so um die vierhundert Euro … bin einfach neugierig, wie die dieses eine Bein abrechnen.«
    Lara drehte sich ihm mit ganzem Körper zu, um ihre Empörung deutlich zu machen. »Also manchmal weiß ich wirklich nicht, wie du so tickst. Wie kommst du nur auf so was?«
    Er fuchtelte entschuldigend mit den Händen herum. »Ist halt so … Neugier … kaputte Synapsen in der Birne … weiß auch nicht.«
    »Nimm die Pfoten ans Lenkrad!«, befahl sie.
    Kurz darauf kurvte er in einem Wohngebiet herum und sah skeptisch auf die Route, die das Navi anzeigte.
    »Stimmt tatsächlich«, stellte er am Ende der Straße fest, »im letzten Winkel hat er sich verkrochen, der Herr Siebl.«
    Dichtes Grün schlang sich um die mächtigen Einfamilienhäuser, von denen einige die Schwelle zur alpenländischen Villa überschritten. Die Jodelornamentik richtete die Feuerkraft geschnitzter Balkone, potenter Hirschgeweihgiebel und

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