Marienplatz de Compostela (German Edition)
ohne Respekt. Sie waren gefährlich.
»Er hat hier doch sicher ein Zimmer«, stellte Lara Saiter fest und sah sich um, so, als könnte sie es auf diese Weise entdecken.
»Natürlich«, antwortete Frau Siebl, als wäre die Frage überflüssig gewesen.
»So natürlich ist das nicht, wenn er sich überwiegend im Ausland befindet und ansonsten bei einem Kumpel zur Untermiete wohnt. Wo hält er sich denn im Moment auf?«
Siebl sprach schnell, als wolle er seine Frau davor schützen, weiter mit diesen Leuten reden zu müssen. »Vielleicht haben Sie es vergessen, aber das hatten wir schon. Wir wissen nicht, wo das ist.«
Frau Siebls hohe, zittrige Stimme offenbarte ihren nervlichen Zustand. »Wir wissen es wirklich nicht! Wir wollten ihm auch den Freiraum lassen, den er für sich als erforderlich erachtete und haben nicht nachgefragt. Es ist eine Wohnung irgendwo in der Au. Ich habe ihn einmal unten an der Reichenbachbrücke abgesetzt. Von dort konnte er hinlaufen. Hinter den Frühlingsanlagen irgendwo. Es war ihm wichtig für sich alleine zu sein.«
»Für uns stellt es sich aber so dar, als hätte er keinen festen Wohnsitz, verstehen Sie? Die Meldeadresse hier bei Ihnen hat faktisch keine Bedeutung für uns und wir werden uns einen Haftbefehl besorgen.«
Frau Siebl verstand nicht, was Lara Saiter damit sagen wollte.
Ihr Mann hatte gar nicht hingehört. Es saß da und starrte dumpf auf die Tischplatte.
»Wären Sie damit einverstanden, wenn wir uns sein Zimmer ansehen?«, fragte Hartmann.
»Das kommt überhaupt nicht infrage! Dafür brauchen Sie auch einen Durchsuchungsbefehl, das weiß ich! Wie kommen Sie überhaupt dazu unseren Sohn zu verdächtigen? Es gibt hierfür doch nicht den geringsten Anlass«, echauffierte sich Frau Siebl, »nicht den geringsten Anlass.«
Lara Saiter machte eine beruhigende Bewegung mit den Händen. »Das geht in Ordnung Frau Siebl. Einen Durchsuchungsbeschluss bekommen wir, wenn wir ihn brauchen.«
*
»Nette Leute«, ätzte Hartmann, als sie zurück zum Auto liefen.
»Die meinen ihn schützen zu können«, entgegnete Lara knapp, nahm dabei ihr Handy und informierte Bucher in aller Kürze über die French Connection, die sie aufgetan hatten. Es gab viel Arbeit: Handy orten, Durchsuchungsbeschluss erwirken, die Montagefirma kontaktieren.
»Gib mir mal die Telefonnummer von diesem Schott, Alex, das interessiert mich – sozialintegrative Firmen – halte ich ja grundsätzlich für was Kriminelles und vielleicht hat dieser Schott ein paar mehr Details zu Tobias Siebl parat.«
Sie dachte laut nach, während Hartmann im Notizbuch blätterte. »Der Siebl ist ganz schön zugerichtet, sah mir nicht nach Fahrradunfall aus – zu wenig Abschürfungen. Und der Herr Sohn geht auf Distanz, sagt ihnen nicht mal, wo er wohnt. Oje. Was macht sie denn als Selbstständige so … das ist ja ein weites Feld.«
Hartmann wiegte den Kopf. »Ich habe etwas von einer Werbeagentur gelesen, bin mir aber nicht sicher.«
»Werbeagentur? Das würde zu ihr passen.«
»Schon, ja. Aber er, der Siebl, er gefällt mir gar nicht.«
»Wegen der Verletzungen?«
»Nein, deswegen nicht. Vor zwei Tagen bin ich ihm das erste Mal begegnet. Das war ein völlig anderer Mann – die Haltung, die Sprache, die Art zu gestikulieren, zu schauen. Es muss etwas mehr geschehen sein als nur ein Fahrradunfall . Dieses eingefallene Gesicht, die tief liegenden Augen. Den hat was erwischt, sage ich dir, etwas Fundamentales.«
»Na ja – ist ja auch keine feine Geschichte, wenn der Sohn plötzlich mit so einem Fall in Verbindung gebracht wird.« Lara steckte das Handy weg und forderte mit einer energischen Handbewegung den Autoschlüssel. »Du bist mir zu verträumt heute. Ich weiß, wohin es geht und wir müssen uns eilen.«
Hartmann warf ihr den Autoschlüssel zu. Im Auto zog er den Sicherheitsgurt fest. Seit Babette bei ihnen im Team war, hatte Lara die aggressive Seite ihrer Fahrerseele zusehends ans Tageslicht befördert.
*
Siebl saß auf der Ledercouch und verlor sich in den grünen Hängen. Ein Whiskey hätte ihm jetzt gutgetan. Hinter sich hörte er die aufgeregte Stimme seiner Frau. »Sie sind weg! Endlich. Gerade sind sie weggefahren.«
Er fühlte sich zu ermattet, um etwas zu sagen, und was sollte das auch. Wieso war sie in die Küche gesprungen und hatte aus dem Fenster gesehen, wie ein altes neugieriges Weib? Als wenn es eine Bedeutung hatte, ob sie gefahren waren, oder nicht. An der Situation änderte es
Weitere Kostenlose Bücher