Marienplatz de Compostela (German Edition)
Konsequenzen, die dies für deine Firma bedeutete?« Siebl drehte sich lachend um und ließ sich schräg zur Seite gleiten.
Ihre Stimme bebte. »Du gibst eine erbärmliche Figur ab. Selbst jetzt. Hast du noch etwas, was du verlieren könntest, außer eine Flasche Whiskey? Tobias hat mit all dem nichts zu tun. Dir aber, dir würde ich es jederzeit zutrauen, nur dass du darüber Bescheid weißt! Er hat mir davon erzählt … er hat mir davon erzählt, dass diese Anne Blohm euch auf die Schliche gekommen ist, dir und deinem großartigen Gönner, diesem guten Gutmenschen Doktor Schott, der sein ererbtes Vermögen verwendet, um den Benachteiligten zu helfen, den Armen, den Tieren und weiß was ich noch alles. Ich konnte ihn noch nie leiden, weil schon seine Blicke so hinterhältig sind wie lüstern. Eine schreckliche Figur, finde ich. Und all diese Abzocker, Spendensammler, Clerical Fundraiser und selbst ernannte Charitybeauftragte – Speichellecker. Ekelhaft. Ich bin froh nichts mehr mit ihnen zu schaffen zu haben. Ganz zu schweigen von seiner Frau.«
Siebl war wütend über ihre Worte. Schließlich hatten sie gut gelebt, von Doktor Schott und seinen Firmen. Das Haus hier …
Er lachte brüllend auf und zuckte mit den Beinen. Schnell vergaß er seine Wut und freute sich vielmehr über ihre Angst. Ja war es denn zu glauben – seine toughe Frau hatte mit einem Mal Angst, und er selbst spürte keine mehr. Plötzlich waren die Verhältnisse umgekehrt – und das war Tobias’ Werk. Es war zum Schreien, zum Verrücktwerden. Ausgerechnet das Werk dieses Kerls. Der hatte doch noch nie etwas zuwege gebracht – und nun das.
Sie ging in die Küche und telefonierte.
Als er nach oben ging, hörte er ihre Stimme. Sie sprach unterdrückt und es klang flehend. »Aber Thomas, bitte, du musst etwas tun … nein, was heißt da … nein, natürlich nicht … aber du hast doch immer … ja er ist hier … zu Hause … er trinkt.«
Siebl grinste und nickte hämisch. Der heilige Thomas war also auch nicht mehr in der Lage oder willens etwas zu tun, der Herr Wirtschaftsanwalt, der ihm immer das Gefühl vermittelt hatte, niemals auf gleicher Augenhöhe mit ihm zu sein. Ob er wusste, was sein Töchterchen so trieb, in den dunklen Gewölben unter der Stadt. Siebl lachte noch einmal laut und betrat sein Zimmer. Er fiel vornüber aufs Bett, krallte die Finger in den Stoff der Bettdecke und heulte leise in das weiche Leinen.
Später schlich er leise aus dem Haus und fuhr in die Stadt. Doktor Schott hatte ihm einen Gesprächstermin eingeräumt.
*
Bucher hatte sich gegen das Auto entschieden. Er nahm die Siebzehner an der Marsstraße und fuhr in Richtung Amalienburgstraße. Direkt am Botanischen Garten stieg er aus. Die Sonnenstrahlen lagen schon leicht schräg und erzeugten kräftige Schatten. Es war sommerlich heiß. Viel zu selten wehte einem eine leichte Brise um den Kopf. Biergartenwetter.
Am Haupteingang, gleich an der Menzinger Straße, fragte er nach Maria Schenk, einer Arbeitskollegin von Nora Bender.
»Bei den Rosen im Schmuckhof … unsere Rosenschau hat gerade begonnen …«, bekam er zur Antwort.
Der Schmuckhof lag nicht weit entfernt. Jeder Schritt knirschte auf den sandigen Wegen. Die vielen Besucher verloren sich zwischen den Meeren bunter Blüten und den unzähligen, ineinander übergehenden Beeten, die von Heckenrabatten geordnet waren. So ein leuchtendes, duftendes Paradies. Aber er war nicht der Rosenschau wegen gekommen und fühlte sich hier am falschen Ort.
Er nahm die Treppe hinunter in den abgesenkten Bereich und – obwohl verboten – streichelte im Vorübergehen sanft über den bunten Porzellanpapageien, der es fertigbrachte für einen Moment den Blick von den Beeten abzulenken.
Buchers Blicke suchten nach einer Gärtnerin. Langsam marschierte er weiter. Das Institutsgebäude schirmte den Garten zur Menzinger Straße hin ab, hielt die Verkehrsgeräusche außerhalb der Anlage und ließ mittels seiner erhabenen, wohlproportionierten Architektur innerhalb der Mauern eine fast religiöse Stimmung entstehen. Das war kein Zufall. Durchaus sollte damit Ehrfurcht erzeugt werden, was gut gelungen war, denn die Menschen maßen ihre Schritte, als befänden sie sich an einem sakralen Ort. Der Reichtum der Natur machte die Menschen andächtig. Sie unterhielten sich leise.
Ein Hauch von Süße, von Frucht und Nektar lag in der Luft
Auf der westlichen Seite des Schmuckhofes, jenseits des Seerosenteichs
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