Marienplatz de Compostela (German Edition)
mit einem Nicken zu bestätigen, obwohl er gar nicht wusste, wovon geredet wurde. »Aahh, ja.«
Szceguzcyk erklärte: »Eine imperative Programmierung ist durch eine Hintereinanderausführung von Anweisungen und die Verwendung folgender elementarer Sprachstrukturen gekennzeichnet …«, er drehte sich um und nahm die Tastatur zur Hand, »ich kann es dir kurz zeigen.«
Bucher suchte nach einer Möglichkeit freundlich abzulehnen, da tauchte auf dem oberen Bildschirm das Foto zweier Kinder auf. Sie waren etwa acht Jahre alt. Ein Junge und ein Mädchen. Beide standen in einem Wohnzimmer. Hinter ihnen war eine Holzwand zu sehen und daneben ein großer alter Röhrenfernseher.
»Das habe ich heute Vormittag gemacht – eine Abfolge von Algorithmen.« Szceguzcyk tippte auf der Tastatur herum und das schemenhafte, monochrome Portrait eines Erwachsenen klappte in einem Fenster auf.
War schon eine feine Sache, so ein großer Bildschirm.
»Und?«, fragte Szceguzcyk.
»Was und?«
»Du musst mich fragen, woher diese Portraitzeichnung kommt.«
Bucher tat wie geheißen: »Woher kommt diese Portraitzeichnung?«
»Aus dem Fernseher da rechts, besser gesagt von dessen spiegelnder Oberfläche. Da ist der Typ zu sehen, der die Kinder fotografiert hat. Ein Anbieter, verstehst du?«
Bucher konnte sich in etwa vorstellen, was mit dem Begriff »Anbieter« gemeint war. Trotzdem fragte er nach. »Er hat diese beiden Kinder angeboten?«
»Ja, im Internet. Anhand der technischen Daten des Fernsehgeräts, also dessen Biegungswinkel der Röhre, habe ich die Verzerrung zurückrechnen können und ein exzellent nutzbares Foto des Herren hier erzeugt.«
»Aber man erkennt nicht wirklich viel«, merkte Bucher an.
»Unser Auge erkennt nicht viel, das ist richtig«, stellte Szceguzcyk klar, »die Algorithmen aber sehen sehr scharf. Was für ihr Auge wenig aussagekräftig ist, wird von den Algorithmen der Gesichtserkennung als exzellentes Bild interpretiert. Ich habe nach dem Herrn schon suchen lassen. Er ist verdammt oft im Internet präsent und morgen früh, pünktlich um sechs Uhr morgens, werden unsere Kollegen bei ihm klingeln. Ich darf diesmal mit dabei sein, haben sie mir versprochen, weil es nicht so weit ist – Landshut.«
Bucher stand auf und sah aus dem Fenster. »Schöner Blick von hier oben«, sagte er zum Abschied und sah hinüber, auf das neue Viertel am Arnulfpark. Nur wenige Schienen schimmerten durch die Lücken und der Stern am Mercedesgebäude drehte sich gemächlich. Es sah friedlich und harmonisch aus, von der Ferne. Bette Midlers Lied fiel ihm ein – from a distance; from a distance, there is harmony .
Er summte leise die Melodie während des Rückwegs zum Büro.
*
Zenner kam sich auf der eigenen Dienststelle fremd vor, als er am Mittag mit der Schicht anfing. Die anderen waren auf Streife und er war dankbar, als auf dem Tisch im Geschäftszimmer die Fahrzeugpapiere derjenigen Einsatzwagen auflagen, die zum Waschen gebracht werden mussten. Mit verdreckten Polizeiautos rumfahren, das ging nicht – in München nicht, und die Waschanlage im LKA , die sie nutzen mussten, war ökologisch zertifiziert, wie es in einem Schreiben geheißen hatte. Na also.
Noch nie hatte er ein Auto zum Waschen gefahren. Das waren die Aufgaben von den Neuen, den Jungen, der Ausgemusterten oder zu anderem Unfähigen. Er schnappte sich die Papiere des alten Dreiers und fuhr los. Wann kam man schon mal ins LKA . Der Pförtner an den gewaltigen Sicherheitstoren winkte und behäbig schwenkten die Stahltore zur Seite, die Schranke dahinter schnappte nach oben und Zenner fuhr ein, passierte die Baustelle und rollte in den Innenhof. Dort stellte er das Auto in nächster Nähe der Werkstatt ab. Einer Blonden, die gleich aus der Tür des Gebäudes kam, zwinkerte er zu.
»Waschen, legen, bürsten?«, fragte sie.
Er antwortete mit einer stummen Geste und zeigte seine blinkenden Zähne. Sie blieb unbeeindruckt und forderte den Fahrzeugschlüssel. »Dauert noch eine Weile, weil dem Minister sein Siebener vorndran kommt.«
»Oh, das passt gut, dann könnte ich so lange einen alten Kumpel besuchen.«
»Aha … aber nicht zu lange wegbleiben, gell! Ich chip dich ein.« Sie zog ihren Schlüsselbund über ein Kästchen – eine LED blinkte, es piepte und klackte zeitgleich und Zenner konnte eintreten. Er hatte keine Ahnung, wo Hartmann sein Büro hatte, aber seine Uniform hatte hier einen unschätzbaren Wert. Die Leute waren einem zugetan und
Weitere Kostenlose Bücher