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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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wie du? Oder soll sie unbeschwert leben in meiner Obhut? Bring es einfach zu Ende, dann wird Antonia dein Andenken in Ehren halten, ich sorge dafür. Ich werde gut auf sie aufpassen.
    Verdammt starker Tobak. Marilene hatte recht gehabt: Es war die ganze Zeit um Antonia gegangen. Lilian war nur das Werkzeug, die späte Rache an ihr offensichtlich nur Mittel zum Zweck. Er klopfte Tewes aufmunternd auf die Schulter und ging hinüber ins Bad.
    Lilian saß auf dem Toilettendeckel, gehüllt in einen Bademantel. Lübben kniete neben ihr und hielt Händchen, die unverletzte Hand, die andere war dick umwickelt.
    Der Notarzt packte gerade zusammen. »Nur fürs Protokoll«, sagte er, »begeistert bin ich nicht, dass sie hierbleibt.«
    »Schon klar«, sagte Zinkel, »aber der Bruder wird auf sie aufpassen, keine Bange.« Ansonsten würde er sie eigenhändig einliefern, doch das behielt er lieber für sich, um nicht die nächste Krise auszulösen.
    »Er hat gesagt, sie will mich nie wiedersehen.« Lilian schaute kläglich zu ihm auf.
    Sie hatte sich herausgeputzt fürs Sterben, ihr Haar glänzte wie ein Heiligenschein, die Augen waren schwarz umrandet, riesig im zarten Gesicht. Doch, er konnte Lübbens Verzücktheit durchaus verstehen, diese Frau weckte noch im gröbsten Stoffel einen maß- und hirnlosen Beschützerinstinkt, dem selbst er sich nicht völlig entziehen konnte, dabei stand er überhaupt nicht auf Mäuschen. Das war es natürlich nicht allein. Lilian Tewes war geradezu überirdisch schön, ein Attribut, das er, seit er erwachsen war jedenfalls, noch nie vergeben hatte. Zudem schien sie sich dessen nicht mal bewusst zu sein, was den Reiz nur steigerte. Die Gier, das Habenwollen. Vielleicht vermochten die Fotos, Lübben zu ernüchtern. Oder sie entfachten die Glut erst recht. Die Fotos, die, so glaubte er, längst nicht die ganze Geschichte erzählten. »Wer?«, fragte er, obgleich die Antwort offensichtlich war, nur, warum noch sagen, was bereits geschrieben stand?
    »Frank.« Ihre Stimme fiel in einen Bass bar jeder Hoffnung. »Er hat mich angerufen und gesagt, Antonia will nie wieder zurückkommen. Warum darf er überhaupt Antonia besuchen und ich nicht?«
    Wieso glaubte sie noch an das Märchen Psychiatrie?, überlegte Zinkel, der Brief legte anderes nahe.
    »Ich bin an allem schuld, das weiß ich ja«, fuhr sie fort, und ihre Stimme erklomm allmählich die Tonleiter, »aber wer tut mir das alles an? Und warum? Wo kommen diese schrecklichen Fotos her?«
    Lübben zerrte in stummer Frage die Brauen hoch, und Zinkel wies mit dem Kinn Richtung Wohnzimmer. »Haben Sie den Brief denn nicht gelesen?«, fragte er.
    Es war, als kappte jemand den seidenen Faden, an dem ihr Leben hing. Sie sackte in sich zusammen, ihre Augen verloren allen Glanz, rührte er auch nur von Tränen. »Ich kann nicht lesen«, flüsterte sie.
    »Oh«, sagte er und hörte, wie jemand hinter ihm scharf den Atem einsog. Lübben? Tewes? Er wandte sich nicht um, und ihm fiel verdammt nichts ein, was er angesichts einer solchen Ungeheuerlichkeit sagen könnte. Heutzutage? In einem hoch entwickelten Land wie Deutschland? »Weiß Ihr Mann das?«, erkundigte er sich.
    »Nein, niemand weiß das, außer Antonia, aber sie hat nie was gesagt, bis – bis das mit Kathrin passiert ist. Wenn ich nur …«
    Kein Wenn wog schwerer als dieses, dachte Zinkel mitfühlend. »Wir können Ihre Tochter nirgends finden«, sagte er behutsam, »ich glaube, auch aufgrund des Briefes, dass sie bei Ihrem Mann ist. Wo könnte er sein? Haben Sie irgendeine Ahnung?«
    »Bei Frank? Aber warum denn? Er ist auf Geschäftsreise, warum sollte er Antonia da mitnehmen? Ich versteh gar nichts mehr.«
    »Er ist nicht auf Geschäftsreise«, stellte er richtig, »er hat schon vor Wochen gekündigt.«
    »Aber …«
    Genau, Zinkel war frustriert, es gab nur Einwände, keine Lösung, nicht hier. Sie war in eine Falle gegangen, die sie offenbar nicht als solche erkannt, sondern für einen Hort der Geborgenheit gehalten hatte. Ein böses Erwachen, wenn er je eins gesehen hatte.
    Aufruhr am Eingang. Charlie fragte nach ihm, Aufregung in der Stimme, positive Aufregung, glaubte er herauszuhören. Und da erschien sie auch schon in der Tür zum Bad und strich sich ihr verwehtes Haar aus dem Gesicht, Racheengel, dachte er.
    »Frank Herzog heißt eigentlich Franz Reinicke«, stieß sie atemlos hervor.
    »Reinicke?« Lilian schreckte hoch. »Ich kannte mal jemanden, der so hieß. Er hat mich eingestellt,

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