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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Gnadenfrist, die eigentlich schon mit Christians Verschwinden abgelaufen war. Sie hatte das bloß nicht wahrhaben wollen, sich mit Händen und Füßen gegen die bittere Wahrheit gesträubt und gekämpft um das bisschen Glück. War das denn wirklich zu viel verlangt?
    Etwas roch merkwürdig. Oh Mist, der Auflauf. Sie stürzte in die Küche und riss die Ofentür nahezu aus den Angeln. Schwarzer Qualm schlug ihr entgegen. Sie tastete nach den Topflappen, zerrte die Auflaufform aus dem Ofen und stellte sie in den Ausguss. Heftig hustend schaltete sie die Dunstabzugshaube auf die höchste Stufe und öffnete das Fenster. Sobald sich der Rauch etwas gelichtet hatte, begutachtete sie den Inhalt der Form. Den ehemaligen, genauer gesagt – von diesem Abendessen war nichts mehr zu retten. Sah aus wie Briketts, fand sie und drehte den Wasserhahn auf, um die Glut zu löschen. Nichts wollte ihr mehr gelingen, absolut nichts.
    »Na, was denn, wollt ihr etwa einen Chor aufmachen?«
    Sie hatte Frank nicht kommen gehört und wandte sich erschrocken um. »Das Essen ist total verbrannt«, jammerte sie.
    »Und jetzt werden wir verhungern, ja? Komm, das ist kein Grund zu weinen.«
    Ich weine nicht, dachte sie, ich bin ein Sturzbach, ein reißender Fluss, der alle mit sich in den Abgrund zieht. »Aber es ist alles so schrecklich«, stieß sie hervor und merkte, wie kleinlaut, wie kleinmädchenhaft sich das anhörte.
    »Ach was, das wird schon wieder, wart’s nur ab.« Frank ging zum Kühlschrank und öffnete ihn. »Na gut, ein üppiges Mahl wird das wohl nicht werden. Mit zwei verheulten Frauen gehe ich bestimmt nicht aus, also gibt’s heute Rühreier. Kriegst du das hin?«
    Lilian nickte zögernd.
    »Ist noch was?« Frank hob die Brauen.
    »Die Polizei …«, hob sie an und bekam irgendwie schlecht Luft.
    »Gibt es etwa schon Neuigkeiten?«
    »Nicht in Bezug auf Kathrin«, flüsterte Lilian.
    »Was? Ich versteh kein Wort.« Frank schaltete die Dunstabzugshaube aus.
    Die plötzliche Stille schmerzte in den Ohren, und ihr schwindelte. Sie hielt sich an der Arbeitsplatte fest, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. »Sie haben Blutspuren im Wohnzimmer gefunden, und in der Küche auch. Sie glauben, dass es Christians Blut ist.«
    Frank starrte sie entgeistert an. »Und, ist es das?«, fragte er barsch.
    Lilian schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann wäre jetzt ein sehr guter Zeitpunkt«, sagte er.
    Was?, schrie es in ihr. Warum vertraute er ihr nicht? Er konnte doch unmöglich glauben, dass sie in der Lage wäre … Sie öffnete den Mund, doch sie kann nicht sprechen, nicht einmal denken, nur nein, nein und abermals nein, und jedes Nein explodiert in ihrem Kopf, einem Gewitter gleich, unter dem sie sich duckt und die Arme schützend hochreißt, und sie sieht hilflos zu, wie Frank die Küche verlässt, hört ihn im Schlafzimmer rumoren, durch den Flur poltern und türknallend das Haus verlassen.
    Antonia stand plötzlich in der Tür, schniefend und mit verquollenen Augen. »Hast du ihn jetzt auch noch vertrieben?«, fragte sie.
    Lilian fürchtete, ihr Sprechvermögen wäre ihr für längere Zeit abhandengekommen, und so versuchte sie gar nicht erst, sich zu rechtfertigen. Ohnehin wären Worte sinnlos, verhärtet, wie die Fronten nun mal waren. Sie würde nicht zu Antonia durchdringen.
    Jemand machte sich an der Haustür zu schaffen, und beider Köpfe flogen herum.
    »Wird das nichts mit den Rühreiern?«, fragte Frank und schob sich an ihnen vorbei in die Küche.
    Eine Woge der Erleichterung erfasste Lilian, er war nicht fort, jubelte sie innerlich, jetzt würde alles gut werden. Sie eilte zum Herd und holte die Pfanne aus der Schublade darunter.
    »Hast du etwa geglaubt, dass ich Antonia allein mit dir lasse?«, zischte Frank ihr zu.
    * * *
    Marilene schob ihren Teller zur Seite. Sie hatte entschieden langsamer gegessen, als es ihrer Gewohnheit entsprach, allein, um länger entschuldigt schweigen zu können, doch mehr ging jetzt einfach nicht.
    Olaf hatte sie während des Essens weitgehend in Ruhe gelassen. Das Geplauder der Männer war mal hierhin, mal dorthin geplätschert und schien harmonisch und keineswegs unangenehm. Sie horchte in sich hinein. Dies Gefühl der Bedrohung, wie sie es bei ihrem letzten Zusammentreffen verspürt hatte, empfand sie eigentlich nicht.
    Andererseits verdarb ein »Eigentlich« noch jede Aussage. Ein Gespenst aus ihrer fernsten Vergangenheit, ein Geist, wie passend,

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