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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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ich in der Vornacht in den Tunneln gesehen hatte.
    »Als mir klarwurde, was da vor sich ging«, fuhr die Dame fort, »wollte ich Sentís warnen, dass er als Erster fallen würde. Um meine Identität nicht preiszugeben, habe ich dich benutzt, Óscar, mit dieser Karte. Ich dachte, wenn er sie sähe und das Wenige hörte, was ihr wusstet, würde ihn die Angst reagieren lassen und er würde sich vorsehen. Ein weiteres Mal hatte ich diesen schäbigen Alten überschätzt. Er wollte Michail aufsuchen und ihn zerstören. Er riss Florián mit sich … Luis ging auf den Friedhof von Sarriá und stellte fest, dass das Grab leer war. Anfänglich vermuteten wir, Shelley habe uns verraten. Wir dachten, er sei es gewesen, der das Gewächshaus aufgesucht habe, um neue Geschöpfe zu erschaffen. Vielleicht mochte er nicht sterben, ohne die Geheimnisse zu verstehen, die Michail ohne Erklärung hinterlassen hatte. Nie waren wir sicher in Bezug auf ihn. Als wir begriffen, dass er nur versuchte, María zu beschützen, war es schon zu spät. Jetzt wird Michail uns heimsuchen.«
    »Warum?«, fragte Marina. »Warum sollte er hierher zurückkehren?«
    Schweigend knöpfte die Dame die beiden obersten Knöpfe ihres Kleides auf und zog eine Kette hervor. Daran hing ein Glasfläschchen, in dem eine smaragdgrüne Flüssigkeit glänzte.
    »Darum.«

24
    A ls ich das Serumfläschchen gegen das Licht betrachtete, hörte ich es. Auch Marina hatte es gehört. Irgendetwas schleppte sich über die Theaterkuppel.
    »Sie sind da«, sagte Luis Claret in der Tür mit düsterer Stimme.
    Ewa Irinowa schien nicht überrascht und verwahrte das Fläschchen wieder. Luis Claret zog seinen Revolver und prüfte das Magazin. Darin glitzerten die Silberkugeln, die ihm Shelley gegeben hatte.
    »Nun müsst ihr gehen«, befahl uns Ewa Irinowa. »Jetzt kennt ihr ja die Wahrheit. Lernt sie vergessen.«
    Ihr Gesicht war hinter dem Schleier verborgen und ihre mechanische Stimme ausdruckslos. Ich verstand nicht, worauf sie mit ihren Worten hinauswollte.
    »Ihr Geheimnis ist bei uns in Sicherheit«, sagte ich.
    »Die Wahrheit ist immer in Sicherheit vor den Menschen«, antwortete sie. »Geht schon.«
    Claret bedeutete uns, ihm zu folgen, und wir verließen die Garderobe. Der Mond warf durch die Glaskuppel einen Flecken silbernen Lichts auf die Bühne, in dem sich wie tanzende Schatten die Gestalten Michail Kolweniks und seiner Geschöpfe abzeichneten. Als ich hinaufschaute, glaubte ich beinahe ein Dutzend von ihnen zu sehen.
    »Mein Gott«, flüsterte Marina neben mir.
    Claret schaute ebenfalls hinauf; in seinem Blick erkannte ich Angst. Eine der Gestalten schlug brutal auf das Glasdach ein. Claret entsicherte den Revolver und zielte. Das Wesen schlug weiter zu – es war nur eine Frage von Sekunden, bis das Glas nachgab.
    »Unten im Orchestergraben gibt es einen Tunnel, der unter dem Parkett hindurch zum Foyer führt.« Beim Sprechen wandte Claret die Augen nicht von der Kuppel ab. »Unter der Haupttreppe werdet ihr eine Falltür finden, die auf einen Gang führt. Folgt ihm bis zum Notausgang.«
    »Wäre es nicht einfacher, wieder so zurückzugehen, wie wir gekommen sind?«, fragte ich. »Durch Ihre Wohnung …«
    »Nein, dort waren sie schon.«
    Marina zog mich mit sich fort.
    »Tun wir, was er sagt, Óscar.«
    Ich schaute Claret an. In seinen Augen war die Entschlossenheit dessen zu lesen, der mit bloßem Gesicht in den Tod geht. Eine Sekunde später zerbarst die gläserne Kuppel in tausend Stücke, und eine wölfische Kreatur stürzte sich heulend auf die Bühne herab. Claret schoss auf ihren Schädel und traf ins Schwarze, doch oben zeichneten sich schon die Umrisse der übrigen Geschöpfe ab. In der Mitte erkannte ich sogleich Kolwenik. Auf ein Zeichen von ihm robbten alle heran.
    Marina und ich sprangen in den Orchestergraben und folgten Clarets Anweisungen, während er uns den Rücken freihielt. Ich hörte einen weiteren ohrenbetäubenden Schuss. Bevor ich den engen Gang betrat, schaute ich mich ein letztes Mal um. Ein in blutige Lumpen gehüllter Körper sprang auf die Bühne herunter und stürzte auf Claret zu. Der Schuss hatte ihm faustgroß ein rauchendes Loch in die Brust gerissen. Doch er ging immer noch weiter, als ich die Falltür zuzog und Marina in den Gang drängte.
    »Was wird aus Claret werden?«
    »Ich weiß es nicht«, log ich. »Lauf.«
    Wir rannten durch den Tunnel. Er war höchstens einen Meter breit und anderthalb hoch. Man musste sich bücken, um

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