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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Prozent weiß MEILENSTEIN, was er tut, und er steht dazu. Aber die restlichen fünf Prozent will er nicht wissen und kann es auch nicht. Tut mir leid.«
    Was tut dir leid? würde Bachmann gern nachhaken.
    »Also, was ist er denn nun?« fragt abrupt eine ungeduldige Männerstimme. Burgdorf.
    »Hinsichtlich seines Handelns, Herr Burgdorf? Seiner Wirkung ? Immer davon ausgehend, daß die Beweise stimmen?«
    »Ich dachte, darum ginge es hier. Nachdem wir ja wohl davon ausgehen. Um sein Handeln, oder nicht?«
    Burgdorf, das mürrische Kind, ist berühmt für seine Aversion gegen liberales Lavieren. »Geben Sie mir Berater mit Tunnelblick!« soll er Axelrod während eines peinlichen öffentlichen Streits einmal entgegengeschrien haben. »Wenn ich was nicht brauchen kann, dann dieses ständige Einerseits-Andererseits!«
    »MEILENSTEIN ist die Schnittstelle, Herr Burgdorf«, gibt Professor Aziz auf dem Podium traurig zu. »Vielleicht nicht durch sein Handeln im ganzen, aber im Detail. Hier ein bißchen abgezwackt, da ein bißchen umgeleitet – die Summen sind nicht groß. Und das brauchen sie auch gar nicht zu sein, so, wie der Terrorismus heute funktioniert. Ein paar tausend Dollar können genügen. An den elendsten Orten reichen sogar ein paar hundert. Wenn wir von der Hamas reden, noch weniger.«
    Es sieht so aus, als ob er noch etwas hinzufügen will. Vielleicht erinnert er sich daran, was ein paar hundert angerichtet haben. Burgdorf unterbricht ihn:
    »Er finanziert also den Terrorismus«, sagt er laut und deutlich, damit es auch ja alle verstehen.
    »Darauf läuft es hinaus, Herr Burgdorf. Wenn unser Verdacht der Wahrheit entspricht. Gut, zu fünfundneunzig Prozent nicht. Zu fünfundneunzig Prozent unterstützt er die Armen und Kranken und Bedürftigen der Umma. Aber zu fünf Prozent finanziert er den Terror. Ganz bewußt und sehr geschickt. Und deshalb ist er ein Mann des Bösen. Das ist seine Tragödie.«
    Axelrod hat diesen Augenblick kommen sehen und ist bereit.
    »Professor Aziz, ließe sich die Sache nicht auch etwas anders auslegen? Würden Sie mir, nach allem, was wir zwischen den Zeilen lesen konnten, nicht zustimmen, daß sich MEI-LENSTEIN – bei den, sollen wir sagen, richtigen Anreizen und dem richtigen Zusammenwirken von Druck und ein wenig Pech – in geradezu idealer Weise eignet, für den Weg des Friedens angeworben zu werden, genau wie Sie selbst vor vielen Jahren, als Sie noch ein Muslimbruder und ein Befürworter der direkten Aktion waren?«
    Professor Aziz verabschiedet sich mit einer Verbeugung von seinem Publikum und wird hinauseskortiert. Er ist sicherheitsüberprüft – aber wozu etwas riskieren? Während Bachmann ihm nachblickt, hört er Marthas Bühnenflüstern:
    »Wissen Sie was, Ian? Fünf Prozent reichen mir dicke.«
    * * *
    Nach Aziz’ Abgang machte sich unkoordinierte Betriebsamkeit breit. Martha erhob sich und rauschte, das Handy am Ohr, hinaus, Newton und die breitschultrige Aschblonde in ihrem Gefolge. Offenbar hatte Mohr den Kollegen von der CIA sogar ein Büro zur Verfügung gestellt, damit sie ungestört ihrer harmlosen Beobachtertätigkeit nachgehen konnten. Burgdorf beugte sich zu Keller hinunter und flüsterte ihm etwas zu, wobei sie beide in verschiedene Richtungen blickten. Und Bachmann versuchte die Ängste, die in ihm hochsteigen wollten, mit einem Stoßgebet in den Worten seiner ungesungenen Kantate niederzukämpfen:
    Wir sind keine Polizisten, wir sind Spione. Wir nehmen unsere Zielpersonen nicht fest. Wir bauen sie auf und setzen sie auf noch wichtigere Zielpersonen an. Wenn wir ein Netzwerk ausmachen, dann beobachten wir es, dann belauschen und unterwandern wir es, bis wir es schließlich kontrollieren. Verhaftungen sind kontraproduktiv. Sie zerstören eine wertvolle Anschaffung. Sie verdammen einen dazu, wieder bei null anzufangen und ein anderes Netzwerk zu finden, das wenigstens halb so gut ist wie das, das man gerade in den Sand gesetzt hat. Wenn Abdullah nicht zu einem bekannten Netzwerk gehört, sorge ich persönlich dafür, daß er sich einem anschließt. Und wenn es sein muß, erfinde ich ein Netzwerk ganz für ihn alleine. Das hat mich früher zum Ziel geführt, und das wird mich auch bei Abdullah zum Ziel führen. Wenn man mich läßt. Amen.
    * * *
    In den Händen einer legendären Auswerterin, Frau Zimmermann, die Bachmann noch von ihren Blitzbesuchen in der Beiruter Botschaft kennt, verwandelt sich MEILENSTEIN vom honigessenden Religionsgelehrten mit einem

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