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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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hatte er die ganzen sieben Jahre schon in seinem Kopf genistet und wagte sich jetzt erst ans Licht. Ist es gutes Geld, hinter dem Sie her sind, Frau Annabel Richter? – Sie und Ihr hochheiliger Mandant, der so wenig Zeit zur Verfügung hat?
    Ziehen Sie hier rein zufällig einen Erpressungsversuch ab?
    Und deuten Sie, mit Ihrer Chorknabenreinheit und Ihrem hehren anwaltlichen Gehabe, mir ganz diskret an – Sie und Ihr Komplize, Pardon, Mandant –, daß Lipizzaner die kuriose Eigenschaft besitzen, pechschwarz zur Welt zu kommen und erst mit den Jahren weiß zu werden, weshalb sie ja auch bei einem Bankkonto der exotischeren Sorte Pate stehen durften, das der vortreffliche Edward Amadeus Brue aus der Taufe gehoben hat – Träger des Order of the British Empire, mein geliebter seliger Vater, den ich in jeder sonstigen Hinsicht unverändert als eine Säule professioneller Redlichkeit verehre –, damals, während der goldenen Zeiten in Wien, als er noch jung und unbeschwert war und das Schwarzgeld aus dem zusammenbrechenden Reich des Bösen lastwagenweise durch den sich aufrebbelnden Eisernen Vorhang gekarrt wurde?
    * * *
    Brue drehte eine langsame Runde durchs Zimmer.
    Aber warum in drei Teufels Namen hast du dich darauf eingelassen, mein geliebter Vater?
    Warum, wo dein Kapital doch dein guter Name und der gute Name deiner Vorfahren war, ein Kapital, von dem du privat wie öffentlich dein Lebtag gezehrt hast in der besten schottischen Tradition der Vorsicht, Schläue und Verläßlichkeit: warum all das riskieren für einen Haufen Gauner und Spekulanten aus dem Osten, deren einzige Leistung darin bestand, ihr Land seiner Schätze beraubt zu haben zu einem Zeitpunkt, da es ihrer am dringendsten bedurfte?
    Warum mußtest du ihnen deine Bank öffnen – deine geliebte Bank, deinen kostbarsten Besitz? Warum ihrem Diebesgut Asyl gewähren, mit einem nie dagewesenen Maß an Geheimhaltung und Verschwiegenheit noch dazu?
    Warum sämtliche Normen und Vorschriften bis zum Anschlag ausreizen in diesem verzweifelten und – in Brues Wahrnehmung selbst damals schon – tollkühnen Versuch, dich als Wiens erste Adresse für eine Bande russischer Gangster zu etablieren?
    Gut, du hast den Kommunismus gehaßt, und der Kommunismus lag in den letzten Zügen. Du mochtest die Beerdigung nicht abwarten. Aber die Schurken, die du so hofiert hast, waren Teil des Regimes!
    Keine Namen nötig, Genossen! Überlaßt uns einfach für fünf Jahre eure Beute, und wir geben euch eine Nummer dafür! Und wenn ihr das nächste Mal vorbeischaut, werden eure Lipizzaner kraftstrotzende, blütenweiße Kapitalanlagen sein! Wir machen es wie die Schweizer, nur daß wir Briten sind und deshalb besser!
    Aber das sind wir nicht, dachte Brue melancholisch und blieb stehen, um zum Erkerfenster hinauszuspähen, die Hände hinterm Rücken verschränkt.
    Wir sind es nicht, weil große Männer, die im Alter das Augenmaß verlieren, sterben; weil Geld sich neu ansiedelt und Banken auch; und weil seltsame Leute, die sich Bankenaufseher nennen, auf der Bildfläche erscheinen und die Vergangenheit ausmerzen. Nur daß sie sich nie ganz ausmerzen läßt, nicht wahr? Ein paar Worte einer Chorknabenstimme, und mit einem Schlag ist alles wieder da.
    * * *
    Fünfzehn Meter unter ihm donnerte die gepanzerte Kavallerie der reichsten Stadt Europas nach Hause, um ihre Kinder zu umarmen, zu Abend zu essen, fernzusehen und dann ins Bett zu gehen, allein oder zu zweit. Über das abendrote Wasser glitten Segelboote und kleine Jachten.
    Irgendwo da draußen ist sie, dachte er. Sie hat mein Licht gesehen.
    Irgendwo da draußen üben sie und ihr sogenannter Mandant ihre Tonleitern und baldowern miteinander aus, wieviel sie mir wohl dafür abknöpfen können, daß sie die Lipizzanerkonten nicht auffliegen lassen.
    Möglicherweise sind Sie mit der Situation meines Mandanten sogar besser vertraut als ich.
    Und möglicherweise nicht, Frau Annabel Richter. Und ehrlich gesagt würde ich daran lieber nichts ändern, auch wenn ich es jetzt offenbar muß.
    Und da Sie mir am Telefon nicht mehr über Ihren Mandanten verraten wollen – eine Zurückhaltung, die ich zu schätzen weiß – und da ich keine übersinnlichen Kräfte besitze und mich darum schwertun werde, ihn aus dem halben Dutzend von Lipizzanern (wenn es überhaupt noch so viele sind) herauszufinden, die nicht längst erschossen oder hinter Gittern sind oder vor lauter Wodka-Saufen vergessen haben, wo sie diese paar überschüssigen

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