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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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ihn aus seiner Trance aufzurütteln.
    Den Blick starr auf die Inhaberschuldverschreibung gerichtet, fuhr er sich mit den Handflächen über die eingefallenen Wangen, während seine Lippen sich in stummem Gebet bewegten. Und Brue, der all die kleinen Symptome plötzlichen Reichtums in- und auswendig kannte – das unterdrückte Aufflackern der Gier, des Triumphs, der Erleichterung suchte in Issas Miene genauso vergebens danach wie in der Miene Abdullahs: oder wenn er doch eine Spur davon ausmachte, dann als Widerschein auf Annabels Gesicht, wo es verschwand, fast ehe es aufgetaucht war.
    »Also dann«, sagte er munter. »Wenn wir nichts weiter zu besprechen haben … was ich Frau Richter vorgeschlagen habe – und was wir provisorisch bereits in die Wege geleitet haben, natürlich vorbehaltlich Ihres Einverständnisses, Issa: Wir haben diese gesamte Summe auf einem Konto unserer eigenen Bank zwischengeparkt, und zwar so, daß sie augenblicklich elektronisch auf die Konten der Empfänger überwiesen werden kann, die Sie und Dr. Abdullah anhand Ihrer ethischen und religiösen Kriterien auswählen, in, sagen wir« – er winkelte zackig den Arm an und sah auf seine kostbare Uhr –, »sieben Minuten. Weniger, wenn ich mich nicht täusche.«
    Er täuschte sich nicht. Ein Auto fuhr auf den Vorplatz der Bank. Gedämpfte arabische Stimmen drangen herauf. Der Fahrer und sein Passagier verabschiedeten sich voneinander. Brue fing ein Inshallah auf und erkannte Dr. Abdullahs Stimme. Dann ein abschließendes Salaam. Das Auto fuhr weg, und ein einzelnes Paar Füße näherte sich den Eingangsstufen.
    »Wenn Sie mich einen Moment entschuldigen würden, Frau Richter«, sagte er geschäftig und eilte treppab für den nächsten Akt des Dramas.
    * * *
    Arni Mohr liebte sein neues Überwachungsfahrzeug, und er hatte es nur unter der Bedingung hergegeben, daß es außerhalb der Sperrzone postiert würde, die er und die Polizei um Brues Bank gezogen hatten. Innerhalb der Sperrzone: Arnis Fahnder und Polizeischarfschützen; außerhalb das Überwachungsfahrzeug, Bachmann, sein Zwei-Mann-Team sowie ein leeres, reichlich mit Reklame beklebtes Taxi. Das war der Deal, abgesegnet von Keller und Burgdorf, vergeblich angefochten von Axelrod und zähneknirschend akzeptiert von Bachmann.
    »Ich kann es mir nicht leisten, mich wegen jedem Kleinscheiß mit ihnen anzulegen, Günther«, hatte Axelrod mit mehr Verzweiflung in der Stimme beteuert, als Bachmann lieb sein konnte. »Wenn ich ein paar Bauern opfern muß, um an Ihre Dame zu kommen, dann mache ich das«, ergänzte er in Anspielung auf ihre gemeinsamen Schachpartien in dem Luftschutzkeller unter der Deutschen Botschaft in Beirut.
    »Aber die Dame gehört uns doch, oder?« hatte Bachmann besorgt nachgehakt.
    »Unter den vereinbarten Bedingungen, ja. Wenn du MEILENSTEIN dazu kriegst, mit in deine sichere Wohnung zu kommen, wenn du es schaffst, mit ihm so zu reden, wie wir es besprochen haben, und wenn er durchblicken läßt, daß er mitspielt, gehört er uns. Beantwortet das deine Frage?«
    Nein. Tut es nicht.
    Es bringt mich ins Grübeln darüber, warum du drei Wenns brauchst, um ja zu sagen.
    Es erklärt weder, was Martha bei der Besprechung verloren hatte, noch warum sie mit Newton kam, dem Schlächter von Beirut, noch wer die breitschultrige Aschblonde mit dem Raubvogelgesicht war und warum sie ins Zimmer geschmuggelt werden mußte, nachdem alle schon saßen, und hinterher gleich wieder rausgeschmuggelt wie eine Nutte aus einem Hotel.
    Und warum Axelrod, dem die Amerikaner genauso ein Dorn im Auge waren wie mir, sie nicht am Kommen hindern konnte und warum Burgdorf offenbar gute Miene dazu gemacht hat.
    Arnis Fahrzeug war, anders als die meisten seiner Art, nicht als Möbelwagen oder Speditionslaster oder Container-LKW getarnt, sondern als das schwerfällige graue Straßenreinigungsmonster, das es einmal gewesen war, mit all seinen alten Besen und Schläuchen. Es war außerdem, wie der stolze Arni gern prahlte, unsichtbar. Niemand hinterfragte seine Gegenwart, schon gar nicht, wenn es tiefnachts durch die Innenstadt kroch. Es war im Fahren ebenso einsatzfähig wie im Stehen. Es konnte in Schrittgeschwindigkeit eine Straße entlangpatrouillieren, und niemand dachte sich etwas dabei.
    Als Standort hatte Bachmann einen Parkplatz zwischen Alsterufer und Harvestehuder Weg gewählt, keinen halben Kilometer von Brues Bank entfernt. Im Schein orangegelber Straßenlaternen konnte das Team durch die

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