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Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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Windschutzscheibe ein Kastaniengehölz bewundern und durch die getarnten Schlitze an der Rückseite die Bronzeskulptur zweier kleiner Mädchen, die für alle Ewigkeit im Begriff standen, ihre Drachen steigen zu lassen.
    Im Gegensatz zu Mohr hatte Bachmann sein Truppenaufgebot auf ein Minimum beschränkt und seinen Schlachtplan einfach gehalten. Vor die Batterie von Videobildschirmen und Satellitenbildern hatte er nur Maximilian und seine Niki gesetzt, die fließend Russisch und Arabisch sprach. Als Verstärkung für etwaige Notfälle hatte er zwei seiner Männer abgestellt, die sich in einem frisierten Audi gleich außerhalb der Sperrzone bereithielten. Solange er mit im Überwachungswagen saß, sollte die gesamte Kommunikation mit Ami Mohr und mit Axelrod in der Berliner Zentrale über ihn laufen. Er hatte Erna Frey förmlich angefleht, ihn zu begleiten, aber sie war auch diesmal hart geblieben.
    »Das arme Kind hat weiß Gott schon genug von mir erlitten, viel mehr, als sie weiß«, hatte sie gesagt. Und nach einer gedehnten Pause, während der er sie bohrend ansah: »Ich habe sie belogen. Wir hatten gesagt, das würden wir nicht. Wir hatten gesagt, wir könnten ihr nicht die ganze Wahrheit erzählen, aber wir würden ihr nichts sagen, was nicht stimmt.«
    »Und?«
    »Ich habe sie belogen.«
    »Das hast du gesagt. In Bezug worauf?«
    »Melik und Leyla Oktay.«
    »Und was hast du ihr bitte schön über die Oktays erzählt, was gelogen war?«
    »Verhör mich nicht, Günther.«
    »Ich verhöre dich, solange es mir paßt.«
    »Du hast vielleicht vergessen, daß ich einen Deep Throat in Arni Mohrs Lager habe.«
    »Die Tennisniete. Wie sollte ich die vergessen? Was hat die Tennisniete mit irgendwelchen Lügen zu tun, die du Annabel über die Oktays erzählst?«
    »Annabel hat sich Sorgen um sie gemacht. Es war mitten in der Nacht. Sie kam zu mir ins Zimmer und wollte mein Wort darauf, daß Melik und Leyla keine Nachteile entstehen, weil sie Issa aufgenommen haben. Weil sie anständige Menschen sind, die anständig handeln. Sie hätte von ihnen geträumt, sagte sie. Ich glaube eher, sie lag wach und hat sich gesorgt.«
    »Und was hast du gesagt?«
    »Daß sie eine herrliche Hochzeit feiern und erholt und zufrieden wieder nach Hause kommen werden und daß Melik alle seine Gegner im Boxring schlagen wird und daß Leyla einen neuen Mann finden wird und daß sie glücklich und zufrieden leben werden bis an ihr Lebensende. Ein Märchen eben.«
    »Warum ein Märchen?«
    »Arni Mohr und Dr. Keller vom Bundesamt haben sich dafür ausgesprochen, daß ihnen die Aufenthaltsgenehmigung entzogen wird. Sie haben gegen ihre Auflagen verstoßen, finden sie, weil sie einem islamistischen Kriminellen Unterschlupf gewährt und militanten Umtrieben in der türkischen Bevölkerung Vorschub geleistet haben. Sie sind dafür, die Behörden in Ankara zu verständigen. Burgdorf gibt grünes Licht, vorausgesetzt, ihre Festsetzung in der Türkei läuft nicht so ab, daß dadurch die Operation MEILENSTEIN gefährdet wird.«
    Woraufhin sie demonstrativ ihren Computer herunterfuhr, ihre Papiere im Stahlschrank einschloß und sich in die Wohnung am Hafen verfügte, um alles für MEILENSTEINS nächtliche Ankunft vorzubereiten.
    Allein gelassen, richtete der zornbebende Bachmann einen neuerlichen Appell an Axelrod. Die Reaktion fiel so vernichtend aus wie befürchtet.
    »Himmelherrgott, Günther! An wie vielen Fronten soll ich denn deiner Ansicht nach noch kämpfen? Soll ich bei Burgdorf reinplatzen und ihm auf die Nase binden, daß wir beim Verfassungsschutz spioniert haben?«
    * * *
    Seit zwei Stunden trafen nachrichtendienstliche Erkenntnisse in stetigem Strom im Wagen ein, und allesamt waren sie positiv:
    MEILENSTEINS gestrige Überlandfahrt stellte eine unstreitige Ausnahme dar. Seinem bekannten Verhaltensmuster nach benutzte er keine Telefonzellen. Auch war es sonst nicht seine Art, sein Haus und seine Familie zu nächtlicher Stunde unbewacht zu lassen. Am heutigen Abend ließ er sich denn auch wie gewohnt von einem hilfsbereiten Freund und Nachbarn chauffieren, dem Palästinenser Fuad, der ein pensionierter Bauingenieur war und nichts Schöneres kannte, als den großen Glaubensmann durch die Gegend zu kutschieren und tiefschürfende Gespräche mit ihm zu führen. Gestern hatte Fuad einen Vortrag im nahegelegenen Kulturinstitut besucht. Heute dagegen hatte er Zeit, und MEILENSTEINS Gorillas wachten zu Hause, wo sie hingehörten.
    Doch wo in Hamburg

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