Marionetten
Name?«
»Genau. Nicht das Pferd. Der Mann.«
Aber so leicht ließ Brue sich nicht überfahren. Eine störrische Abwehr regte sich in ihm, die durch das Bankgeheimnis allein nicht zu erklären war. Sie war auch nicht durch die gelegentlichen Anwandlungen schottischer Dickschädeligkeit zu erklären, die unverhofft über ihn kamen und für die er jedesmal eilig Abbitte leistete. Sie war mehrsträngig, und im Lauf der Zeit würde er die einzelnen Stränge aufdröseln können, aber auf jeden Fall war irgendwo Annabel Richter mit hineingeflochten, und sie brauchte seinen Schutz, was bedeutete, daß Issa ihn auch brauchte. Vorerst würde er auf die Art reagieren, die seiner Natur am meisten entsprach: Er würde sich einigeln, wie Edward Amadeus das immer genannt hatte. Er würde den Kopf einziehen und seine Stacheln aufstellen. Er würde sowenig preisgeben wie möglich und sie die Pausen selber ausfüllen lassen.
»Da müßte ich meine Hauptkassiererin fragen. Die Lipizzaner sind bei Frères gewissermaßen eine Welt für sich«, sagte er. »So hat mein Vater das gewollt.«
»Wem sagen Sie das!« rief Foreman. »Das sprichwörtliche Grab war die reinste Plaudertasche gegen E. A. Wie ich schon eben zu Ian gesagt habe, bevor Sie hereinkamen.«
»Exakt seine Worte, Tommy«, bestätigte der kleine Lantern mit seinem netten Lächeln.
»Dann wissen Sie wahrscheinlich mehr darüber als ich«, meinte Brue. »Mir sind die Lipizzaner immer sehr fremd geblieben, fürchte ich. Sie sind seit zwei Jahrzehnten ein Pfahl im Fleisch meiner Bank.«
Anders als Foreman lehnte Lantern sich nicht über den Tisch, um sich Brue anzuvertrauen, aber seine nordenglische Stimme verstand es genau wie die von Foreman, die Musik als Deckung zu nutzen.
»Tommy. Verraten Sie uns den Ablauf, ja? Wenn der besagte Junge – oder jemand von ihm Beauftragtes, der über das nötige Paßwort verfügt oder über die nötige Kennzahl – in Ihre Bank käme … ja?«
»Ich höre Ihnen zu.« Und Annabel auch, mit höchster Konzentration.
»Und wenn diese Person einen Anspruch auf ein Lipizzanerkonto anmelden würde – es abräumen würde, beispielsweise, an welchem Punkt würden Sie davon Kenntnis erhalten? Sofort? Ein paar Tage später? Wie würde es funktionieren?«
Brue der Igel ließ sich so viel Zeit mit der Antwort, daß Lantern Zweifel kommen konnten, ob er die Frage begriffen hatte.
»Als erstes, nehme ich doch an, würde er sich einen Termin geben lassen und sein Anliegen vorbringen«, sagte er vorsichtig.
»Und wenn er das täte?«
»Dann würde meine Assistentin, Frau Ellenberger, mir Bescheid sagen, und wenn nichts dagegen spricht, würde ich ihn empfangen. Wenn eine persönliche Verbindung da wäre – ich bin mir nicht sicher, ob das hier der Fall ist, aber nehmen wir es der Einfachheit halber an –, wenn zum Beispiel sein Vater meinen gekannt hätte und er das erwähnen würde, dann würde der Empfang natürlich entsprechend herzlicher ausfallen. Wir von Brue Frères legen großen Wert auf diese Art von Kontinuität.« Dies ließ er ein Weilchen einwirken. »Wenn andererseits kein Termin vereinbart wäre und ich in einer Besprechung wäre oder gerade nicht am Platz, dann ist es möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, daß die Transaktion ohne mein Wissen vonstatten gehen würde. Was bedauerlich wäre. Es täte mir leid.«
Nach Brues umwölkter Miene zu schließen, spürte er das Bedauern jetzt schon.
»Die Lipizzaner sind natürlich eine Kategorie für sich«, fuhr er mißbilligend fort. »Und keine allzu erfreuliche, wenn ich ehrlich sein soll. Wenn wir überhaupt an sie denken, dann betrachten wir die Konten, die uns über die Jahre erhalten geblieben sind, wohl am ehesten als ruhend, oder als nachrichtenlos. Keine direkte Korrespondenz mit den Kunden. Alle Dokumente und Konten ausschließlich bei der Bank. Solche Sachen«, sagte er voller Abscheu.
Foreman und Lantern wechselten Blicke, scheinbar unsicher, wer sich als nächster vorwagen sollte und wie weit. Zu Brues Überraschung ergriff wieder Lantern das Wort.
»Wir müssen dringend mit dem Jungen reden, verstehen Sie, Tommy«, erklärte er, seine Stimme noch eine Spur leiser. »Ganz im Privaten, und zwar gleich. Ein inoffizielles Gespräch, sobald er auftaucht. Bevor er mit irgendwem anders redet. Aber es muß sich auf natürlichem Wege ergeben. Das letzte, was wir wollen, wäre, daß er denkt, die Leute würden schon Ausschau nach ihm halten oder das Personal wäre
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