Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
aber ihre Pistolen ließ er ihnen. Wie hätten sie sich sonst gegen die Konkurrenz behaupten sollen?«
    Brue reagierte auf die einzige Weise, die ihm einfiel: sagte nichts, sah aufmerksam, aber distanziert drein und fragte sich dabei, warum Foreman ihm all das erzählte, mit solcher Detailfreude auch noch und so innigem Blick, als wären sie drei Verschwörer bei einem Komplott, in das er nur noch nicht eingeweiht war.
    »Der Haken bei der Sache war – nicht zum erstenmal in diesem Geschäft und auch nicht zum letztenmal –, daß wir sein Geld nicht nur anlegen und vermehren mußten, um Wladimir bei Laune zu halten, wir mußten es auch für ihn waschen.«
    Zu Brues Verwunderung – denn ein wenig glaubte er Foreman mittlerweile zu kennen – sah er in diesem Punkt offenbar Rechtfertigung geboten.
    »Ich meine, wenn wir nicht zugegriffen hätten, dann hätten die Amerikaner es getan und alles versiebt. Und so kam es, daß wir Ihren Herrn Papa beiseite genommen haben. Wladimir mochte Wien. Seine Delegationen hatten ihn ein paarmal dorthin geführt. Er mochte den Wiener Walzer und die Wiener Bordelle und die Wiener Schnitzel. Wo also würde er lieber hinfahren, um von Zeit zu Zeit sein Geld zu besuchen, als ins gute alte Wien? Und Ihr Papa reagierte ganz fabelhaft. Enthusiastisch. Das ist das Kuriose bei diesem Spiel. Je seriöser die Leute nach außen hin wirken, desto flinker kommen sie gerannt, wenn wir Spione pfeifen. Wir brauchten das Thema Lipizzaner nur anzutippen, und sofort war Ihr alter Herr Feuer und Flamme. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er seine ganze Bank zu einer unserer Nebenstellen umfunktioniert. So daß wir die leise Hoffnung hegen, Sie reagieren vielleicht ähnlich, wenn wir Ihnen unser kleines Problem schildern, nicht wahr, Ian? Nicht daß Sie gleich eine Nebenstelle einrichten sollen« – herzliches Lachen von beiden Männern –, »das ist nicht nötig, gottlob! Nur, sagen wir, eine kleine Hilfestellung hier und da.«
    »Wir zählen auf Sie, Tommy«, sekundierte ihm Lantern mit seinem sachten nordenglischen Akzent und dem allzeit bereiten Lächeln des kleingewachsenen Mannes, der zu gefallen sucht.
    Und auch jetzt hätte Foreman anständigerweise eine Auszeit pfeifen können, aber er näherte sich dem Höhepunkt seiner Geschichte und konnte keine Ablenkung gebrauchen. Mario strich mit der Dessertkarte um ihren Tisch. Auch Brue strich um einen Tisch, aber bei ihm war es der Schreibtisch seines Vaters in Wien, wo er wutbebend auf die passende Gelegenheit wartete, seine Schlußsätze in ihrem unvollendeten Streit über die Lipizzanerkonten loszuwerden: Dann warst du also ein britischer Spion, wie ich jetzt erfahre. Hast Brue Frères verraten und verkauft, nur für einen lumpigen britischen Orden. Ein Jammer, daß du nicht das Format hattest, mir das selber zu sagen.
    * * *
    Wladimirs letzter Einsatz war in Tschetschenien, berichtete ihm Foreman. Und wenn Sie alles, was Sie je über dieses Höllenloch gehört haben, zusammenzählen und mal zehn nehmen, Tommy, dann kriegen Sie vielleicht eine Ahnung von den Zuständen da: auf der einen Seite die Russen, die das Land in Grund und Boden ballern, auf der anderen die Tschetschenen, die sich nach Kräften revanchieren.
    »Aber für Wladimir und seine Leute war es eine einzige große Party«, erzählte er weiter, immer in dem gleichen bekennerhaften Ton, als hätte die Geschichte jahrelang in ihm verschüttet gelegen und erst Brues Gegenwart lockte sie nun endlich ans Licht. »Bomben werfen, saufen, vergewaltigen, plündern. Sie haben das Öl abgeschöpft und an den Höchstbietenden verkauft. Dann haben sie die Einheimischen für ihre eigenen Vergehen an die Wand gestellt und dafür noch eine Beförderung kassiert.« Jetzt machte Foreman doch eine Pause, wenn auch nur, um einen Richtungswechsel in seiner Geschichte anzudeuten. »Soweit der Hintergrund, Tommy. Und vor diesem Hintergrund hat Wladimir plötzlich die Liebe entdeckt. Er hatte Weiber in aller Herren Länder, aber diese ging ihm aus irgendeinem Grund unter die Haut. Eine tschetschenische Schönheit, die er in die Offizierskaserne in Grosny verschleppt hatte und in die er sich dann bis über beide Ohren verliebte. Und sie sich in ihn, jedenfalls redete er sich das ein. Liebe und Wladimir, das paßte nicht so ganz zusammen, nicht in dem Sinn, in dem Sie und ich das Wort verstehen. Aber für Wladimir war es die große Offenbarung. Sagte er mir zumindest. Ziemlich betrunken schon. In

Weitere Kostenlose Bücher