Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marionetten

Marionetten

Titel: Marionetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
Vom Netzwerk:
alledem! Issas Problem – wenn es denn überhaupt seines ist – hat mit unbewältigter Vergangenheit zu tun. Es hat mit ein paar leidigen Kleinigkeiten zu tun, die unsere Väter unerledigt gelassen haben und die uns eine nicht näher umrissene gemeinsame Schuld aufbürden.
    Doch o Glück, wenn ich brav ihre Anweisungen befolge, werden die Herren Foreman und Lantern mit Beistand von höchster Ebene meine Haut retten. Und wenn sie schon einmal dabei sind, retten sie mich auch gleich vor den Deutschen.
    * * *
    Dennoch war Brue nicht im Unfrieden mit sich, als er Barlach Lebewohl sagte und hinausschlenderte in den sonnigen Park. Er war sich treu geblieben. Ein stummer Schrei, Schmerz und Freude zugleich, stieg in ihm auf, als er sich über die Wahrheit seiner Gefühle klar wurde. Seit ihrer ersten Begegnung im Atlantic – seit Äonen also – war Annabel Richter für ihn ein Korrektiv, ja eigentlich schon eine moralische Instanz. Von diesem Moment an hatte er nichts mehr sehen oder denken können, ohne innerlich auf sie Bezug zu nehmen: Handle ich so richtig, würde Annabel mein Verhalten billigen?
    Zunächst hatte er sich als das Opfer einer feindlichen Übernahme empfunden. Dann hatte er über sich gespottet: Brue, ein sechzigjähriger Pubertierender, der mit seinem dahinschwindenden Testosteron nicht klarkam. Zu keiner Zeit war in den Diskussionen, die er mit sich selbst führte, das gefürchtete Wort Liebe aufgetaucht, was immer Liebe für ihn heißen mochte. Liebe war Georgie. Der ganze Rest – das Gekeuche, die Ewigkeitsschwüre, das war mehr etwas für andere Männer. Gut, zog man das Machogehabe ab, dann konnten einem Zweifel kommen, ob es tatsächlich etwas für sie war, aber das mußten sie selber wissen. Trotzdem, wenn jemand in dein Leben gefegt kommt, der nur halb so alt ist wie du, und sich zu deinem moralischen Mentor erklärt, dann stehst du stramm und hörst zu, du kannst gar nicht anders. Und wenn dieser Jemand noch dazu die anziehendste und interessanteste Frau und die unerwartetste Liebe ist, die dir jemals begegnen wird, dann erst recht.
    Und Sex? Im Grunde hatte er schon bei der Hochzeit mit Mitzi begriffen gehabt, daß er in einer zu hohen Liga spielte.
    Er grollte ihr deshalb nicht, und sie ihm auch nicht – oder? Zu einer Stellungnahme gezwungen, hätte er wahrscheinlich gesagt, daß sie ihm ein Leben in dem Stil ermöglichte, der sich für ihn geziemte, und ihm dafür die Rechnung schickte, was nur fair war. Er konnte ihr schlecht einen Vorwurf daraus machen, daß sie Gelüste hatte, die er nicht befriedigte.
    Jetzt endlich verstand er, wie es sich mit ihm verhielt. Er hatte seine Bedürfnisse fehlgedeutet. Er hatte im falschen Markt investiert. Es war nicht der Geschlechtsakt, um den es ihm ging. Es war das hier. Und nun hatte er das hier gefunden, was eine wichtige und einigermaßen überraschende Berichtigung seines Selbstbilds darstellte. Versiegendes Testosteron war nicht der Punkt. Der Punkt war das hier, und das hier war Annabel.
    Und dafür, mehr noch als aus allen anderen Gründen, hatte er Foreman und Lantern belogen. Sie hatten über seinen Vater geredet, als wäre er ihr Eigentum. Sie hatten den Sohn mit dem Vater unter Druck gesetzt und gemeint, auch er wäre ihr Eigentum. Sie hatten sich zu nahe an das Terrain herangewagt, das ihm und Annabel ganz allein gehörte, und er hatte es gegen sie verteidigt. Und damit hatte er sich wissentlich und gezielt in die Gefahrenzone begeben, die er nun mit ihr teilte. Und durch diesen Schritt war sein Leben aufregend und kostbar geworden, wofür er ihr von ganzem Herzen dankte.
    * * *
    »Brue Frères ist ja auch am Ende, was man so hört«, bemerkte Mitzi. Es war am Abend desselben Tages. Sie saßen auf der verglasten Veranda und sahen hinaus in den Garten. Brue nippte an einem alten Calvados, dem Geschenk eines französischen Kunden.
    »Tatsächlich?« meinte er leichthin. »Das ist mir neu. Von wem hört man das denn, wenn ich fragen darf?«
    »Der Bernhard sagt das. Und der hat’s von deinem Uralt-Spezl Haug von Westerheim, und der muß es ja schließlich wissen. Stimmt’s denn nicht?«
    »Nicht direkt. Nicht nach dem, was ich höre.«
    »Und bist du am Ende?«
    »Meines Wissens nicht. Wieso?«
    »Weil du deine Körpersprache nicht im Griff hast. Grad noch hupfst du herum wie ein Hunderl, und dann bist du plötzlich mit der ganzen Welt über Kreuz. Steckt dahinter eine Frau, Tommy? Eigentlich hab ich gedacht, du hättest uns

Weitere Kostenlose Bücher