Marissa Blumenthal 02 - Trauma
hielt Rafe sie am Arm fest.
»Sie sind verrückt, wenn Sie hier ins Wasser steigen.«
Empört befreite sich Marissa aus seinem Griff. »Wenigstens bin ich nicht feige.«
»Ich gehe«, sagte Wynn und stand unsicher auf.
»Du gehst nirgendwo hin!« schrie Rafe. »In Ordnung, ich sehe mal nach.«
Wutschäumend ging Rafe nach unten und kam in Badehose zurück. Er legte Schwimmweste und Preßluftflasche an und nahm sich dann ein Paar Flossen, eine Maske und eine ein Meter lange Stahlrute.
Zu dritt gingen sie nach vorn und betrachteten eine Weile die verbogenen Gitterstäbe an der Vorderseite des Käfigs. »Unglaublich, daß ein Lebewesen so was fertigbringt«, sagte Rafe. Dann stieg er hinein und legte Flossen und Maske an.
»Laß ihn runter!« rief er.
Wynn ging zur Winde und hievte den Käfig mit Rafe drin ungefähr dreißig Zentimeter vom Deck hoch. Nur mit dem gesunden Arm arbeitend, schwenkte er den Käfig über das Wasser. Marissa half ihm, ihn in Ruhestellung zu bringen. Dann ließ er den Käfig hinunter, bis er merkte, daß an der Leine gezogen wurde, die er in der Hand hielt.
Marissa und Wynn schauten über die Reling und sahen zu, wie Rafe schließlich aus dem Käfig schwamm und unter dem Boot verschwand. Nach ein, zwei Minuten tauchte er an der Plattform wieder auf.
»Hier unten ist alles ruhig«, sagte er. »Wo genau war Wendy, als Sie sie zuletzt gesehen haben?«
»Ich komme mit«, sagte Marissa. Sie hatte zwar Angst, aber das Gefühl, es Wendy schuldig zu sein, war stärker. Rasch legte sie die Tauchausrüstung an. Wynn half ihr mit der Preßluftflasche. Eine Minute später stand sie neben Rafe auf der Plattform.
»Ich staune über Sie«, sagte Rafe. »Wirklich. Haben Sie denn keine Angst, nach all dem wieder ins Wasser zu steigen?«
»Ich schlottere vor Angst«, sagte Marissa. »Machen wir schnell, bevor ich mich anders besinne!«
Statt möglichst weit vom Boot wegzuspringen, ließ sich Marissa einfach ins Wasser gleiten, wobei sie nach allen Richtungen Ausschau hielt. Aber Rafe hatte recht: das Wasser war so ruhig und friedlich wie zu dem Zeitpunkt, als sie heute morgen zum erstenmal hineingestiegen waren. Nur ein paar Engelbarsche und Korallenfische schwammen vorüber. Marissa schaute sich nach dem Haikäfig um. Wenn es nötig sein würde, mußte sie sofort dorthin schwimmen.
Marissa wies Rafe die Richtung zum Ende der Rinne. Die Strömung war nicht mehr so stark wie vorher. Als sie an die Stelle kamen, wo die Rinne zum Ozean abfiel, zögerten beide. Doch auch weiter entfernt waren keine größeren Lebewesen zu sehen als einige Papageifische, die sich an der Korallenbank aufhielten. Von dem Ungeheuer, das sie vor einer Stunde in Angst und Schrecken versetzt hatte, war weit und breit nichts zu entdecken.
Plötzlich berührte sie etwas am Arm, und ihr Herzschlag setzte einmal aus. Sie fuhr herum und sah, daß es nur Rafe war. Er machte ihr Zeichen. Er wollte wissen, in welche Richtung es weitergehen sollte. Marissa zeigte es ihm. Zusammen schwammen sie los.
Nach ungefähr zehn Metern stoppte Marissa ihren Begleiter durch Handzeichen. Sie gab ihm zu verstehen, daß sie jetzt an der Stelle seien, wo sie Wendy zum letztenmal gesehen hatte. Sie suchten den sandbedeckten Meeresboden ab, konnten aber nichts finden, nicht mal ein Stück der Tauchausrüstung.
Schließlich zeigte Rafe ihr an, daß sie zum Boot zurückkehren sollten.
Als Marissa auf die Plattform kletterte, fühlte sie sich wie zerschmettert. Wendy war wirklich verschwunden, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Es war unglaublich, es konnte einfach nicht wahr sein! Im Augenblick konnte Marissa nicht mal mehr weinen.
»Tut mir aufrichtig leid, meine Liebe«, sagte Rafe und legte die Ausrüstung ab. »Wynn und mir geht das schrecklich an die Nieren, bestimmt. So was ist auf der Oz noch nie passiert, das kann ich Ihnen versichern. Das war ein ganz schrecklicher Unfall, bestimmt.« Dann ging er nach vorn und sagte Wynn, er solle den Haikäfig hochwinden, während er das Funkgerät bedienen wollte.
Über Funk teilte Rafe der Küstenstreife mit, daß das Patrouillenboot noch nicht aufgetaucht sei. Er gab noch einmal ihre Position durch und kündigte an, daß sie jetzt, obwohl die eine Taucherin nach wie vor vermißt sei, hereinkämen, um seinem ersten Maat ärztliche Betreuung zuteil werden zu lassen.
Sobald die Dieselmotoren liefen, sagte Rafe, Wynn solle den Anker lichten. Dann fuhren sie nach Hamilton Island zurück.
»Sie
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