Marissa Blumenthal 02 - Trauma
Fischabfalle ins Wasser geworfen haben!« schrie Marissa. »Sie sind in einem Motorboot abgefahren.« Dabei zeigte sie auf das sich rasch entfernende Fahrzeug.
Rafe beugte sich über die Schanzwand und schaute dem Boot nach.
»Meine Güte, sie fahren nach Westen!« sagte er. »Sie wollten doch am Außenriff fischen.«
»Fischen!« rief Marissa. »Sehen Sie doch, was sie ins Wasser gekippt haben!«
Rafe sah hinunter. »Um Gottes willen!« rief er, rannte wieder zum Heck und starrte auf den immer größer werdenden roten Fleck im Wasser. Immer zahlreicher sprangen darin die Fische hoch. »Um Gottes willen!« sagte er noch einmal.
»Kann das Zeug Haie anlocken?« fragte Marissa.
»Du lieber Himmel, ja!« sagte Rafe.
»Oh, mein Gott!«
Trotz ihrer Angst zog sich Marissa die Maske wieder über Augen und Nase, steckte das Mundstück zwischen die Lippen und sprang ins Wasser.
Fische jeder Größe und Art umschwärmten sie. Die Sicht hatte sich drastisch vermindert. Marissa grub die Zähne in das Mundstück und schwamm los. Sie versuchte an nichts anderes zu denken als daran, daß sie Wendy zum Boot zurückholen mußte.
Als Marissa sich dem Ende der Rinne näherte, erblickte sie ihren ersten Hai. Er war klein, hatte eine weiße Nase und schwamm langsam im Kreis um die Fischabfälle herum. Das gespenstische Tier erschreckte Marissa mehr als alles andere, was sie je gesehen hatte. Ein Auge immer auf den Hai gerichtet, schwamm sie dicht an den Korallenbänken entlang nach links. Plötzlich schoß der Hai mitten in das Getümmel fressender Fische und verschlang einen Klumpen Eingeweide. Dann erschien aus dem Nichts ein größerer Hai und nahm die Jagd auf.
Am ganzen Leibe zitternd, umrundete Marissa den Rand der Rinne und spähte nach Wendy und Wynn aus. Noch mehr Haie erschienen, einer größer als der andere. Einen erkannte Marissa als Hammerhai. Dieser große Fisch sah wie ein vorgeschichtliches Wesen aus, wie ein Ungeheuer, das aus dem Zeitalter der Dinosaurier übriggeblieben war.
Endlich erblickte Marissa Wynn vor sich. Wendy hielt sich direkt unter ihm auf. Sie erkundete gerade eine Spalte. Zu sehen waren nur ihre Beine mit den Flossen. Marissa schwamm auf sie zu. Doch bevor sie bei ihnen ankam, drehte Wynn sich um und sah in ihre Richtung.
Mit hektischer Geste zeigte Marissa auf die Freßorgie, die sich hinter ihr entwickelt hatte. Wynns Reaktion bestand darin, sich zu bücken und an Wendy zu zupfen. Dann schwamm er mit raschen, kräftigen Stößen auf Marissa zu.
Marissa begann zum Boot zurückzuschwimmen. Zu ihrer Linken sah sie, wie ein Hai einen anderen rammte. Der Zusammenstoß hinterließ bei dem Gerammten eine große Rißwunde an der Flanke. Als nächstes sah sie, daß mehrere andere Haie den verwundeten Hai auffraßen.
Wynn überholte Marissa und bog in die Rinne ein. Marissa warf einen Blick zurück, in der Erwartung, Wendy käme ihr nach. Doch sie konnte nur ihre Flossen entdecken. Noch immer hing sie mit dem Kopf nach unten vor dem Spalt. Sekundenlang überlegte Marissa, was sie tun solle. Dann wurde Wendys Kopf sichtbar. Sie hielt nach Wynn Ausschau. Dabei bemerkte sie die Schule von Haien, die sich rasend schnell zu vergrößern schien.
In Panik wollte Marissa zu ihr hin. Doch ebenso abrupt mußte sie stoppen. Mehrere Haie versperrten ihr den Weg. Auf dem Rücken liegend, schwamm sie zum Eingang der Rinne. So konnte sie Wendy im Auge behalten. Ihre Angst hatte sich so gesteigert, daß sie das Gefühl hatte, ihr Luftvorrat ginge zur Neige.
Urplötzlich stoben die Haie mit kräftigen Schwanzschlägen auseinander. Marissa glaubte schon, ihr Stoßgebet wäre erhört worden. Doch dann sah sie, was die Haie in die Flucht getrieben hatte. Aus der dunkelblauen Tiefe stieg ein großer weißer Hai empor. Er war mindestens viermal so groß wie die Haie, die sie bisher zu Gesicht bekommen hatte.
Als Wendy das Ungeheuer erblickte, verfiel sie in Panik.
Mit weitausholenden Armen und wild strampelnden Beinen schwamm sie los. Marissa folgte ihrem Beispiel. Am Eingang zur Rinne warf Marissa noch einen Blick zurück. Wendy kam ihr noch immer im Wahnsinnstempo nach. Doch hinter ihr sah Marissa den riesigen weißen Hai schwimmen. Das Untier schien es auf Wendy abgesehen zu haben.
Einen Augenblick hielt der Hai inne. Dann schoß er mit einer Flossenbewegung genau auf Wendy zu. Der riesige Fisch warf den Kopf zur Seite, packte Wendy um den Oberkörper und schüttelte sie schrecklich durch. Wendy verlor das
Weitere Kostenlose Bücher