Mark Beamon 01 - Der Auftrag
jeden Tag rund fünfzig Todesfälle, die irgendwie im Zusammenhang mit Drogen stehen – rechnen Sie das mal auf ein Jahr hoch. Was sind dagegen schon diese Zwanzigtausend?« Er musterte Blake beinahe mit so etwas wie Mitgefühl. »Außerdem ist der erste große Schlag nun vorbei. Die Leute wissen, dass wir es ernst meinen. Jetzt brauchen wir nichts weiter zu tun, als hier und da ein paar Sendungen zu vergiften, damit die Leute weiterhin Angst haben. Sie wollen doch jetzt nicht wirklich aufhören? Dann wären all diese Menschen umsonst gestorben. Der Drogenmissbrauch würde sofort wieder ansteigen, und alles wäre wie vorher.«
Blake nickte und schaute sich erneut im Zimmer um. Seine gesamte Haltung hatte sich plötzlich verändert. Er war bleich, aber gefasst, und ein wenig spürte man wieder die energische Persönlichkeit des Fernsehpredigers.
»Was haben Sie während dieser zweiten Phase vor?«
Hobart entspannte sich ein wenig. »Eigentlich nicht besonders viel. Wir werden vielleicht alle vier Wochen eine Lieferung vergiften. Ich wollte mir demnächst auch einiges von dem Zeug vornehmen, das hier fabriziert wird. Amphetamine, Ecstasy und solchen Dreck. Haben Sie schon mal von Anthony DiPrizzio gehört?«
Blake nickte. »Irgendein Mafiaboss in New York.«
»Genau. Ich habe einen Mann, der in einem seiner Lagerhäuser am Hafen arbeitet. Es heißt, dass am achtundzwanzigsten dort eine beträchtliche Sendung Koks eintrifft. Ich habe ihn beauftragt, sie zu vergiften. Danach ist dann erst mal einen Monat lang Ruhe.«
Blake stand auf und ging zur Tür. Er griff nach der Klinke, doch dann wandte er sich noch einmal um. »Wo, um alles in der Welt, haben Sie nur dieses Gift aufgetrieben? In den Zeitungen heißt es, es dauert zwei Wochen, bis es wirkt.«
»Das war nicht ganz leicht. Ein paar Stunden westlich von Warschau .«
»In Polen?«
»Ja.«
Blake öffnete die Tür. Die Wolken waren aufgerissen, und die Sonne blendete ihn, als er zu seinem Wagen ging. Tief holte er Atem, legte seinen Kopf auf das Lenkrad und bekämpfte den Drang, sich zu übergeben. Das Bild der Hölle stand ihm wieder vor Augen. Konnte er das, was er getan hatte, in den Augen des Herrn jemals wieder abbüßen?
23. Kapitel
Washington, D.C. 25. Februar
Mark Beamon zog seine Aktentasche vom Rücksitz des Wagens und umfasste den Türgriff. »Lassen Sie mich hier raus, Stan«, sagte er zu dem jungen Agenten am Steuer.
»Der Stau ist gleich da vorn zu Ende, Mr. Beamon. Wir sind in fünf Minuten da.«
»Ja, aber ich möchte einfach ein bisschen frische Luft schnappen.«
»Morgens um diese Zeit sind eine Menge Menschen auf den Straßen – da könnte Sie leicht jemand erkennen.«
Die Kontroverse darüber, ob das, was das CDFS getan hatte, letztlich eine positive Wirkung habe und moralisch zu rechtfertigen sei, wurde in den Medien zunehmend heftiger geführt, und Mark Beamons Gesicht war im Verlauf dieser Debatte in den vergangenen Wochen auf beinahe jeder Zeitung, jedem Magazin und auf sämtlichen Bildschirmen im ganzen Land zu sehen gewesen. Es gab sogar Gerüchte, dass GQ in der nächsten Ausgabe einen Artikel über ihn bringen würde, in dem man ihm besonderes Lob für sein Modebewusstsein zollte. Offenbar betrachtete man seine neun Jahre alten, zu engen Anzüge als »Retro-Schick«.
»Keine Sorge, Stan. Niemand wird mich erkennen. Man hat mir gesagt, dass ich in Wirklichkeit viel kleiner wirke.« Er sprang aus dem Wagen, schlug die Tür zu und beugte sich noch einmal zum offenen Fenster herein. Hinter ihm wurde bereits ungeduldig gehupt. »Rufen Sie Laura an und sagen Sie ihr, dass ich ein paar Minuten später komme. Danke.« Damit verschwand er in der Menge der Menschen, die unterwegs zu ihren Arbeitsplätzen waren.
Special Agent Stan Paulous runzelte die Stirn. Es hieß, man habe Beamon einen Wagen mit Fahrer zugeteilt wegen seiner allgemein bekannten Abneigung gegen Autos und seiner mangelnden Fahrkünste. Paulous war jedoch informiert worden, dass er in erster Linie dafür sorgen sollte, ihn zu etwas mehr Zuverlässigkeit zu zwingen. Im Grunde genommen war es sein Job, auf Beamon aufzupassen und sicherzugehen, dass er pünktlich dort war, wo er sein sollte. Langsam wählte er Laura Vilechis Telefonnummer und überlegte sich dabei, was er sagen sollte, um nicht ihren Zorn auf sich zu ziehen.
Mark Beamon schob seine freie Hand in die Tasche seines Regenmantels und atmete tief die spätwinterliche Luft ein. Sie roch nach Auspuffgasen
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