Mark Beamon 01 - Der Auftrag
und Aftershaves.
Er hatte sich in letzter Zeit wie eingesperrt gefühlt. Vom Haus zum Büro und wieder zum Haus, immer und immer wieder – ein solch streng geregelter Tag mochte für Laura optimal sein. Auf ihn hatte es jedoch eine eher negative Wirkung. Seine Gedanken begannen dann ebenfalls, in engen beschränkten Bahnen zu laufen, und Geistesblitze stellten sich unter solchen Bedingungen keine mehr ein. Genau wie ein Künstler brauchte er einfach das Chaos in seinem Leben.
Beamon bog in eine Nebenstraße ab, wo weniger dichtes Gedrängel herrschte, und beschloss, sich eine rasche Runde um den Block zu gönnen.
Auf halber Strecke trat er in einen kleinen Laden.
»Eine Packung Marlboros, bitte«, sagte er und zog aus seiner Gesäßtasche ein zerschlissenes Portemonnaie.
Der alte Mann musterte ihn neugierig, während er unter der Theke die Zigaretten hervorholte und den Preis in eine prunkvolle alte Registrierkasse eintippte. Die Summe erschien im Fenster der Kasse, die aussah wie ein Miniaturgrabstein.
Beamon reichte ihm einen Schein und beobachtete seine Miene, als er das Wechselgeld abzählte. Er sah ihm an, dass er verzweifelt versuchte, sein Gesicht unterzubringen, das ihm irritierend vertraut vorkommen musste.
Draußen in der kühlen Luft zündete er sich hinter der gewölbten Hand eine Zigarette an und beschleunigte seine Schritte, da ihn ein wenig das Gewissen plagte, dass er seinem Fahrer einfach entwischt war. Er schien ein guter Junge zu sein.
Vor der FBI-Zentrale herrschte ein noch größeres Chaos als überall sonst in Washington, und es wurde mit jedem Tag schlimmer. Beamon blieb stehen und schnippte die Asche auf den Bürgersteig.
Es gab zwei Lager. Direkt dem Gebäude gegenüber standen die Demonstranten, die für das CDFS waren. Beamon zählte rund fünfzig Teilnehmer, und sie schienen inzwischen ziemlich gut organisiert. Ungefähr ein Drittel hielt Schilder hoch, die aus der Menge ragten wie die scharfen Stachel eines giftigen Meerestiers. Als sie zum ersten Mal aufgetaucht waren, war es nur ein Haufen rechtsgerichteter Großmäuler mit ein paar handgemalten Plakaten gewesen. Einen Tag lang war sogar ein Kerl in der Robe des Ku-Klux-Klan dabei gewesen.
Doch jetzt war die Gruppe konservativer gekleidet, und die Schilder waren professionell gemacht. Der Wind drehte ein wenig, sodass er ihren Sprechchor hören konnte. Wer Drogen nimmt, ist selber schuld.
Ungefähr fünfzig Meter weiter standen die Gegendemonstranten. Sie waren genauso gut gekleidet und trugen genauso professionell gemachte Schilder. Beamon konnte ihre Parolen nicht hören.
Die fünf oder sechs Polizisten, die verhinderten, dass sie aufeinander losgingen, schienen ständig in Gefahr, von der einen oder der anderen Gruppe überrannt zu werden – oder noch schlimmer, Partei zu ergreifen. Beamon warf seine Kippe auf den Bürgersteig und drückte sie mit dem Schuh aus. Er zündete sich sofort eine neue Zigarette an.
Seit dem Vietnamkrieg war das Land nicht mehr so gespalten gewesen, und die US-Regierung in ihrer unendlichen Weisheit hatte ihm den Auftrag erteilt, den Riss zu kitten. Er lachte bitter.
Der Präsident schien das Problem völlig zu ignorieren. Sicher, die Zeitungen brachten Statements, in denen er seine Betroffenheit äußerte und dass man mit ganzem Einsatz versuche, die Übeltäter zu finden und so weiter und so fort. Allerdings schien Jameson überhaupt nicht klar zu sein, dass diese ganze Geschichte wie eine Lawine mit unabsehbaren Folgen war, die immer gefährlicher wurde. Beamon dachte manchmal an einen großen Felsbrocken, der einen Abhang hinab rollte. Wenn er es geschafft hätte, die Mitglieder des CDFS gleich nach den ersten Vergiftungsfällen zu ergreifen, hätte man den Felsen vielleicht noch aufhalten können.
Inzwischen war zu viel Zeit verstrichen. Er würde diese Kerle letztlich fassen, daran hatte er keinen Zweifel. Aber wenn er das tat und sich damit sozusagen vor diesen Felsen warf, könnte er ihn auch ohne weiteres überrollen. Waren die Probleme im Zusammenhang mit Vietnam beendet gewesen, nachdem die Hubschrauber die letzten Amerikaner aus Saigon rausgeholt hatten? Nein, sie hatten angedauert und eine ganze Generation geprägt.
Und bei dieser Geschichte war es nicht anders. Jahrelang hatte man auf das wachsende Drogenproblem und die zunehmende Kriminalität in Amerika nur mit Lippenbekenntnissen reagiert. Doch nun hatte jemand eine wirksame Lösung angeboten. Und Amerika schien der
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