Mark Beamon 01 - Der Auftrag
Nacht eine seiner Raffinerien zu besuchen, statt daheim mit seiner wunderschönen jungen Frau im Bett zu liegen, war etwas, das er ganz bestimmt nicht wollte.
Schuld daran war sein Assistent. Perez behauptete schon seit Jahren, die japanische Jugend würde immer unzufriedener. Der Gedanke daran, achtzehn Stunden am Tag zu arbeiten und in einem Einzimmerapartment in einer smogverseuchten Stadt zu leben, war für sie längst nicht mehr so befriedigend, wie es das für ihre Eltern gewesen war. Und wo es Unzufriedenheit gab, bestand Aussicht auf gute Geschäfte.
Colombar wandte sich zu seinem Gast um, den er vor knapp zwei Stunden persönlich vom Flughafen abgeholt hatte. Er hasste den Japaner, der nur Geschäfte im Kopf hatte und keinen Sinn für ein bisschen Spaß. Dabei hatte er einen tollen Abend für den kleinen gelben Bastard geplant gehabt mit einigen der schärfsten Frauen Kolumbiens, gutem Essen und reichlich Alkohol.
Trotzdem hatte sein Gast – angeblich der mächtigste Boss des organisierten Verbrechens in Japan – darauf bestanden, direkt zu einer der Raffinerien zu fahren, um sich alles anzuschauen. Verfluchtes Schlitzauge.
»Hier entlang, Yakashiro«, sagte Colombar auf Englisch. Der Japaner ging an ihm vorbei zur Tür der kleinen Hütte. Colombar folgte ihm und öffnete eine Falltür, die unter den Bodenmatten verborgen war. Eine Leiter führte sechs Meter tief hinunter zu einem Raum, der genauso groß war wie die Hütte und an eine alte Mine erinnerte.
Die bröckeligen Wände wurden von verrottenden Balken gestützt, und nur eine rostige Petroleumlampe lieferte etwas Licht. Am anderen Ende des Raums war eine verdreckte Metalltür, die sich wie durch Zauberei öffnete, als Colombar näher kam.
Dahinter sah es vollkommen anders aus. Der Raum war nur geringfügig größer als der erste, doch die Wände bestanden aus weißen Hohlziegeln, Leuchtröhren an der Decke spendeten Licht, und auf hölzernen Bänken saßen vier ernst aussehende Männer, die den japanischen Besucher misstrauisch musterten.
Colombar nahm zwei Gasmasken von einem Haken neben der Tür und reichte eine seinem Gast, der sie schweigend aufsetzte. Einer der Wächter öffnete eine weitere schwere Tür. »Sie haben kein Feuerzeug oder sonst was dabei, das Funken auslösen könnte, oder?«, erkundigte sich Colombar, ehe sie eintraten. Der Japaner schüttelte stumm den Kopf. Colombar fragte sich, ob er überhaupt irgendwas verstand.
In einem langen, schmalen Raum standen auf jeder Seite drei große offene Fässer. Die beiden Männer, die hier beschäftigt waren, trugen Atemschutzmasken mit dicken schwarzen Schläuchen, durch die sie offenbar mit Luft versorgt wurden.
»Hier findet das erste Stadium der Raffinierung statt«, erklärte Colombar seinem potenziellen Geschäftspartner. Er sprach bewusst langsam, damit Yakashiro, dessen Englisch anscheinend recht kläglich war, ihn trotz der Gasmaske und seinem spanischen Akzent verstand.
»Die Fässer sind voller Cocablätter. Wir bedecken sie mit Pottasche und lassen sie für eine Weile ruhen.« Colombar ging zum ersten Fass und winkte Yakashiro zu sich. Der Japaner schaute mit mäßigem Interesse hinein.
»Die Alkaloide beginnen sich aus den Blättern zu lösen, und anschließend wird alles mit Kerosin übergossen – deshalb müssen wir diese Masken tragen.«
Er deutete auf die beiden Männer und die Schläuche, die sie hinter sich herzogen. »Allerdings sind die Masken nur bei vorübergehendem Aufenthalt in diesem Raum ausreichend. Wir mussten diese Schläuche installieren, die für Frischluftzufuhr von draußen sorgen, damit die Leute hier länger arbeiten können.« Colombar verschwieg, dass er sich wegen der unnützen Kosten bis zuletzt dagegen gesträubt hatte. Nach dem Tod von sechs Arbeitern war es allerdings schwierig geworden, Ersatzleute zu finden.
Sie gingen zum nächsten Fass, das fast randvoll mit Kerosin war. Colombar ergriff eine Stange, die an der Wand lehnte, und rührte darin. »Das Kerosin löst die Alkaloide aus den Blättern, dann wird alles ausgepresst und in andere Fässer umgefüllt – sie lagern nebenan.«
Sie gingen durch die Tür am anderen Ende des Raums. Colombar hängte seine Gasmaske an einen Nagel und bedeutete dem Japaner, seinem Beispiel zu folgen.
Eine Reihe von Metallfässern stand ordentlich nebeneinander an der Wand. »Hier wird Schwefelsäure und Wasser hinzugegeben. Durch die Säure mischen sich die Alkaloide mit dem Wasser, das auf den
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