Mark Beamon 01 - Der Auftrag
Boden sinkt. Das Kerosin wird abgekippt, und übrig bleibt eine Mischung aus Wasser und Kokain, die dann zu einer Paste getrocknet wird.«
Colombar führe ihn zu einigen Tischen, die von nicht weniger als fünf einfältig aussehenden Männern bewacht wurden. Sie standen respektvoll auf, doch Colombar beachtete sie gar nicht und brach einen baseballgroßen Klumpen von einem Stück ab, das aussah wie grauweiße Knete. »Das ist die so genannte pasta básica , das Rohkokain.«
Prüfend betastete der schweigende Japaner die Kokainpaste.
»Aus dieser pasta das endgültige Kokain zu gewinnen ist noch komplizierter. Ich will es Ihnen zeigen. Hier geht’s durch.«
Leise kroch Hobart einige Meter zurück und begann, langsam die Lichtung zu umrunden. Er brauchte fast zwei Stunden, bis er drei Viertel der Strecke geschafft hatte, doch schließlich fand er, was er gesucht hatte. In einer schmalen Lücke, die ins Unterholz gehauen war, stand ein rostiger Pritschenwagen. Das dichte Blätterdach des Waldes verhinderte, dass man ihn aus der Luft entdecken konnte. Arme Bauern besaßen ebenso wenig einen Kleinlaster wie Fässer mit Kerosin.
Er kroch näher an das Fahrzeug heran, von dem ein leichter Kerosingeruch ausging, und merkte sich das Nummernschild.
Peter Manion hatte eine simple und doch elegante Methode entwickelt, um das Koks zu vergiften. Hobart war davon ausgegangen, dass Corey – oder gegebenenfalls er selbst – sich in die Fabrik einschleichen müsste, um die Ware, ehe sie verpackt wurde, mit Gift zu versetzen. Das wäre natürlich eine riskante Aktion gewesen. Der jetzige Plan war bedeutend besser.
Wie sich herausgestellt hatte, war Orellanin in mancher Hinsicht mit Kokain verwandt. Im Wesentlichen waren beides natürliche Gifte, nur mit sehr unterschiedlichen Wirkungen. Deshalb brauchte er lediglich das Kerosin zu vergiften. Während die Alkaloide sich aus den Cocablättern lösten und mit Kerosin und Wasser gemischt wurden, würde das Orellanin sich mit den Molekülen des Kokains verbinden und dadurch gleichmäßig im Endprodukt verteilt sein.
Es sah aus, als würde die ganze Sache noch sehr viel einfacher werden, als er es sich vorgestellt hatte. Dank der offenen Ladefläche käme er schon auf dem Weg zur Raffinerie an das Kerosin heran. Ursprünglich hatte er geplant, in Colombars Lagerhaus einzudringen – wobei die kolumbianische Polizei und die Wachen alles noch schwieriger gemacht hätten. Ganz zu schweigen von dem Problem, woher er wissen sollte, welche Fässer er vergiften musste.
Nachdem er alles in Erfahrung gebracht hatte, was er wissen wollte, kroch Hobart zurück in den Dschungel, setzte seine Nachtsichtgläser auf und marschierte zu seinem Wagen, dessen Koordinaten er in das GPS-Gerät einprogrammiert hatte. Er stopfte seinen Tarnanzug in die Tasche und zog wieder die dreckigen Jeans und das T-Shirt an, das er seit einer Woche trug. Mit einer Dose Pannenspray füllte er den Reifen auf und begann die lange Rückfahrt in die Stadt.
Hobart fühlte sich so gut wie seit Jahren nicht mehr. Er verstellte die Frischluftdüse über seinem Sitz, bis sie auf sein Gesicht gerichtet war, und trank einen kräftigen Schluck eiskalten Jim Beam. Es war ein solcher Genuss, frisch geduscht zu sein und endlich wieder saubere Sachen zu tragen, dass er sogar fast seine Abneigung gegen das Fliegen vergaß. Knapp vier Wochen hatte er in Bogotá verbracht, und ohne störende Bäder hatte seine Verkleidung mit der Zeit immer echter gewirkt. Daran musste er sich bei künftigen Einsätzen erinnern.
Es war eine anstrengende Zeit gewesen. Fast jede Nacht hatte er auf dem Bauch am Rand der Lichtung gelegen, auf der Colombars Raffinerie stand, und sich jeden Tag unruhig auf der unbequemen Matratze in seinem schäbigen Hotelzimmer gewälzt.
Die Raffinerie schien sehr professionell zu arbeiten, was seinen Plänen zu Gute kam. Es gab ein festes Produktionsschema, und man hielt sich strikt daran. Die Strafen für einen Rückstand waren vermutlich gravierender als ein gekürzter Weihnachtsbonus.
Nacht für Nacht verbrauchte man zwei Fässer Kerosin, und jeden Mittwoch holten zwei der Wächter mit dem alten Pritschenwagen bei der Chemiefirma, die er aus Coreys Liste kannte, vierzehn Fässer ab. Die Produktion lief rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.
Hobart nahm das Kissen, das ihm die Stewardess anbot, drückte es gegen das Fenster und schlief mit seinem Drink in der Hand ein.
9. Kapitel
Baltimore, Maryland 26.
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