Mark Beamon 01 - Der Auftrag
tastete nach der Fernbedienung. Der Bildschirm warf ein graues Flackerlicht durchs Zimmer. Es lief ein alter Schwarzweißfilm. Humphrey Bogart zündete sich gerade in der Lobby eines zwielichtigen Hotels eine Zigarette an.
Dann wurde die Sendung unterbrochen, Bogart verschwand, und eine schlanke junge Frau mit einem Mikrofon erschien an seiner Stelle.
Ihr grüner Mantel leuchtete in dem grellen Licht der Scheinwerfer, das ihre bleiche Hautfarbe und die rot geschminkten Lippen betonte. Hinter ihr herrschte Dunkelheit, doch gute zehn Meter weiter konnte man ein weißes Gebäude mit dicken Glastüren erkennen. Beamon blinzelte und konzentrierte sich auf den Bereich, der im Dunkeln lag. Bei genauerem Hinschauen schien er voll von Menschen zu sein, die am Boden lagen oder hektisch umhereilten. Unten am Bildschirmrand stand in Großbuchstaben JOHNS HOPKINS HOSPITAL, etwas größer als das Zeichen für Stummschaltung. Beamon hatte immer schon lieber ohne Ton ferngesehen.
»Was, zur Hölle, ist da los, Tommy?«
Er schaltete den Ton ein, und eine selbstbewusste Frauenstimme erklärte: »… was Sie gerade sehen, passiert zurzeit in Krankenhäusern im ganzen Land.«
Die Kamera zoomte auf das Gelände hinter der Reporterin.
Er war nie in einem Krieg gewesen, aber er war ein Fan von Kriegsfilmen. Was er sah, erinnerte ihn an die Szenen nach einer Schlacht. Soldaten lagen überall im Dreck, manche regungslos, andere wanden sich vor Schmerzen, einige bluteten. Heldenhafte Ärzte und Schwestern rannten geduckt unter den Rotoren von Hubschraubern hindurch und eilten von Bahre zu Bahre, obwohl sie von Heckenschützen beschossen wurden.
Ab und zu überflutete Licht aus einer anderen Quelle die Szenerie, und er stellte den Ton noch lauter.
»… es ist unmöglich zu sagen, wie viele Patienten sich derzeit hier befinden, weil ständig welche ins Krankenhaus und wieder heraus gebracht werden – ich habe bei achtundsiebzig den Überblick verloren. Offensichtlich haben die Ärzte begonnen, die Leute hier draußen auf dem Parkplatz zu untersuchen. Von dieser Stelle aus kann ich durch die Glastüren sehen. Es scheint, als läge der ganze Boden voller Patienten. Ich frage mich nur, wie man mit den Tragbahren hinein und hinaus kommt – es sieht aus, als sei es völlig unmöglich.«
Die Kamera schwenkte nach rechts und zeigte einen blonden Mann in einer Lederjacke, der mitten in dem ganzenTumult auf dem Boden lag. Sein Gesicht war totenbleich. Wassertropfen hingen an seinen Wangen, die in dem grellen Scheinwerferlicht wie Diamanten glitzerten. Er schien nichts um sich herum wahrzunehmen, sondern starrte nur nach oben in den Regen und kaute mechanisch an seiner blutenden Unterlippe. Das Blut vermischte sich mit dem Regen und floss ihm übers Kinn.
Beamon saß schweigend in seinem Bett und hörte Shermans Atmen am anderen Ende der Leitung. Die Reporterin versuchte einen vorbeilaufenden jungen Arzt anzuhalten, der sie wortlos abwehrte. Ihr zweiter Versuch, bei dem sie einen seiner Kollegen kurzerhand am Arm festhielt, hatte mehr Erfolg. Er war beträchtlich älter und wusste offensichtlich, wie wichtig gute Publicity in seinem Beruf war.
»Könnten Sie uns sagen, was hier los ist, Dr ….?«
»Mason«, erwiderte er und schaute mit geübter Gelassenheit in die Kamera. »Wir sind nicht ganz sicher. Die Symptome scheinen dieselben zu sein wie bei den drei Männern, die vermeintlich an vergifteten Drogen gestorben sind, was vor kurzem so viel Aufmerksamkeit in den Medien erregt hat, aber gestern hatten wir nur sechs Patienten mit diesen Symptomen. Heute dagegen …« Er deutete auf das Chaos hinter sich.
»Doktor, die ersten Opfer dieser verseuchten Drogen waren alle nicht zu retten. Soll das heißen, dass keiner dieser Menschen hier überleben wird?« Man merkte, dass ihre kühle Selbstsicherheit ins Wanken geriet, als sie begriff, dass sie möglicherweise mitten auf einem Friedhof stand.
»Das kann ich wirklich nicht sagen.« Er tastete nach dem Stethoskop, das um seinen Hals hing. »Ich kann Ihnen aber sagen, dass sie in einem ganz hervorragenden Krankenhaus sind und wir alles Menschenmögliche tun – und jetzt müssen Sie mich entschuldigen.«
Beamon drückte auf die Stummschaltung, als die Reporterin diese wenigen Informationen noch einmal zusammenzufassen begann.
»Scheiße, Tommy«, sagte er. Der Bildschirm wurde für einen Moment dunkel, dann wurde zu einem Reporter geschaltet, der vor einem Krankenhaus stand, wo sich
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