Mark Beamon 01 - Der Auftrag
konnten. Beamon war der geistesabwesende Professor, der immer wieder brillante Geistesblitze hatte, bei denen alle nur verblüfft den Kopf schüttelten. Dagegen fiel es ihm schwer, sich mit dem stumpfsinnigen Kleinkram zu befassen, wie er bei der alltäglichen Ermittlungsarbeit nun einmal an der Tagesordnung war.
Laura hatte eine vollkommen andere Arbeitsweise – und die Tafel zeigte ihm, dass sich nichts geändert hatte. Sie besaß ein fotografisches Gedächtnis für Details und verbiss sich fanatisch in einen Fall, drehte buchstäblich jeden Stein um und machte nie, nie einen Fehler.
Ihr erstes Treffen war alles andere als angenehm gewesen. Sie hatte bereits ein festes Konzept für die Ermittlung gehabt und war nicht gewillt, sich von irgendjemanden dreinreden zu lassen, nicht einmal von Beamon. Die Hände in die Hüften gestemmt, hatte sie vor ihm gestanden und ihn böse angefunkelt, während er über ihre Unerfahrenheit und ihre einfallslosen Methoden gewettert hatte. Aber nachgegeben hatte sie nicht, und das respektierte er.
»Na, wie geht’s, Laura?« Beamon schloss leise die Tür. Er konnte es kaum glauben, aber er war tatsächlich ein wenig nervös.
»Gut, Mark.« Ein Anflug von Unsicherheit lag in ihrem Blick.
Beamon musterte die Tafel. »Ich sehe, Sie haben sich nicht geändert.«
Sie deutete auf die große Tüte mit Donuts in seiner rechten Hand. »Ich sehe, Sie auch nicht.«
Beamon lachte und stellte die Tüte auf den Tisch.
»Ich wusste nicht, was Sie gern mögen, deshalb habe ich verschiedene Sorten mitgebracht.«
Laura öffnete die Tüte und zog ein Schokoladendonut heraus. Die Glasur klebte an ihren Fingern. »Also, da bin ich, aber ich weiß beim besten Willen nicht, warum ich hier bin.«
»Mein Arzt hat mir gesagt, ich hätte nicht genug Stress in meinem Leben. Da sind Sie mir natürlich eingefallen.« Beamon kramte grinsend nach einer weiteren Bärentatze. »Ich glaube, Sie haben unsere letzte Auseinandersetzung zu ernst genommen, Laura. Ich habe meine Arbeitsweise verteidigt, und Sie haben Ihre verteidigt. Verdammt, wenn sich irgendjemand nach diesem Fall angeschlagen gefühlt hat, dann war ich das.«
»Kommen Sie, Mark. Sie halten doch offenbar nichts von meinen Methoden. Warum haben Sie mich dann angefordert?«
Beamon runzelte die Stirn. »Falls ich Ihnen den Eindruck vermittelt habe, dass ich mit Ihren Methoden nicht einverstanden bin, dann tut es mir Leid. Die Tatsache, dass wir beide an ein Problem unterschiedlich herangehen, ist exakt der Grund dafür, warum Sie hier sind. Ich bin bereit zuzugeben, dass meine Schwäche bei den Details und dem alltäglichen Ermittlungskram liegt. Und meiner Ansicht nach ist es Ihre Schwäche, dass Sie zu unflexibel sind.« Laura wollte prompt widersprechen, aber er ignorierte es. »Nimmt man uns beide allerdings zusammen, hat man den perfekten Ermittler.«
»Und Sie glauben, wir kommen miteinander zurecht?«
»Sicher. Unser Problem beim letzten Mal war, dass keiner von uns wirklich die Leitung hatte. Diesmal bin ich der Boss.«
Fast zehn Sekunden schauten sie sich wortlos an. Laura wandte schließlich den Blick ab und griff nach ihrem Donut. »Vielleicht bin ich es das nächste Mal.«
Er lachte. »Der Gedanke macht mich jetzt schon schlaflos. Also, wann sind Sie angekommen? Sie sehen müde aus.« Ihr blauer Rock und die weiße Bluse wirkten etwas zerknittert, und ihr rotblondes Haar war nicht so streng zurückgekämmt wie sonst, was aber keine Rolle spielte. Sie wäre selbst in alten Jeans und einem schmutzigen Sweatshirt eine bemerkenswerte Erscheinung gewesen.
»Gestern Abend um zehn. Ich war noch wach und hab ferngesehen, als CNN anfing, aus den Krankenhäusern zu berichten. Da dachte ich mir, ich könnte genauso gut gleich herkommen, ehe das Telefon läutete.«
Beamon deutete auf den blauen Hefter, der neben ihr auf dem Konferenztisch lag.
»Gibt’s was Neues?«
»Nicht viel. Das Büro in Saint Louis hat mit jedem in der Bank gesprochen, wo der Verdächtige sich die Schecks besorgt hat – außer mit einem Angestellten, der offensichtlich gekündigt hat und auf einem Kletterurlaub in unbekannter Gegend ist. Wir finden ihn sicher in ein paar Tagen, aber er hatte sowieso kaum Kontakt mit unserem Verdächtigen. Kurz – viel haben wir nicht.« Sie blätterte die Seite um.
»Unsere Leute sprechen mit den Opfern, die noch in der Lage sind, zu reden, und sammeln die Namen ihrer Dealer. Bei der DEA versucht man herauszubekommen, woher die
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