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Mark Brandis - Bordbuch Delta VII (Weltraumpartisanen) (German Edition)

Mark Brandis - Bordbuch Delta VII (Weltraumpartisanen) (German Edition)

Titel: Mark Brandis - Bordbuch Delta VII (Weltraumpartisanen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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schweigsam. Später habe ich mich oft gefragt, warum wir nicht bereits diese Gelegenheit zur Flucht wahrnahmen, die weder günstiger noch ungünstiger war als jene andere, über die es zwischen Commander Harris und mir zur Auseinandersetzung gekommen war. Die Kraft unseres Triebwerkes machte uns, was die Geschwindigkeit anging, unseren Bewachern überlegen. Aber eines war anders geworden, und das muß wohl, so denke ich heute, den Ausschlag gegeben haben: Wir hatten die Konsequenz einer solchen Flucht begriffen. Ich wußte, daß Stroganow und Ibaka sich um ihre Familien sorgten, und mir selbst war im Augenblick das Wichtigste, eine Möglichkeit zu finden, Ruth wiederzusehen. Jeder Ausbruch aus der Formation – so muß wohl auch Commander Harris gespürt haben – würde für lange, unbestimmte Zeit eine unwiderrufliche Entscheidung darstellen.
    Erst kurz bevor ich die Landung einleitete, brach Commander Harris das Schweigen. »Ich weiß nicht, was uns in Metropolis erwartet, aber eines dürfte gewiß sein: Wer immer jetzt bei VEGA das Kommando führt, er braucht uns und unsere Erfahrung.«
    »Sir«, sagte ich, »Sie wollen doch nicht im Ernst mit diesen Leuten zusammenarbeiten?«
    Commander Harris streifte mich mit einem flüchtigen Blick.
    »Man kann bekanntlich immer nur einen Schritt nach dem andern tun, Captain. Im Augenblick setzen wir zur Landung in Metropolis an.«
    Die Anflugautomatik begann zu summen, und auf dem Richtungsgeber formierte sich der Leitstrahl. Der Kontakt mit der Bodenstation VEGA auf Metropolis war hergestellt. Commander Harris forderte die Landeerlaubnis an und bekam sie.
    Metropolis, aus der Höhe gesehen, war immer wieder ein atemberaubender Anblick. Wie eine Fata Morgana wuchs die Stadt aus der Wasserwüste des Atlantiks hervor: im Zentrum des geographischen Dreiecks, das die drei in der EAAU zusammengeschlossenen Kontinente bilden, eine künstliche Insel aus Stahl, Beton, Glas und Kunststoff, dem Ozean abgetrotzt und aufgezwungen. Damals, als diese Stadt in fünfjähriger Arbeit gewachsen war, hatte sie als sichtbares Symbol aller technischen Errungenschaften gegolten – und irgendwie war sie das immer noch, mochten mittlerweile auch die Jahrzehnte ins Land gegangen sein. Vom Standpunkt der technischen Möglichkeiten aus gesehen, war Metropolis längst überaltet – und dennoch konnte man sich an ihrem Anblick immer wieder berauschen.
    Selbst aus dieser großen Höhe war der weiße Kranz der Brandung zu erkennen, der die Stadt umschloß: funkelndes Kleinod in einer saphirblauen Einöde, Mittelpunkt eines Reiches, das den halben Erdball umfaßte und einen Himmel voller blühender Planeten, größte und volkreichste Stadt beider Hemisphären.
    Hier in Metropolis liefen alle Nervenstränge des Landes zusammen, hier war der Sitz der Regierung und der verschiedenen Ministerien, und seit einiger Zeit war auch VEGA hier angesiedelt. Wohlweislich hatte man, als die Stadt entworfen wurde, die Schwerindustrie aus ihr herausgehalten, so daß ihre architektonische Schönheit durch keinerlei Rauch und Abgase verschleiert wurde.
    Das Venedig des 21. Jahrhunderts hatte man Metropolis genannt – und in der Tat, nur mit der versunkenen Perle der Adria ließ sich die Hauptstadt der EAAU vergleichen. Gleich jener vielbesungenen Königin der Meere war sie ein Treffpunkt der Künstler und Dichter geworden, und die kulturellen und geistigen Impulse, die von ihr ausstrahlten, beeinflußten das Leben der Menschen in drei verschiedenen Erdteilen. Metropolis verfügte über sechzig Theater und Opernhäuser, über vierunddreißig Konzerthallen, über mehr als hundert Museen und – was vielleicht das Wichtigste war – über fünfundzwanzig Universitäten, die zugleich Forschungsstätten waren. In dieser Stadt, die nie zu schlafen schien, erschienen achtundvierzig verschiedene Zeitungen, wetteiferten zwölf Fernsehanstalten miteinander.
    Was war – so fragte ich mich immer wieder – das Geheimnis dieser unvergleichlichen Stadt? War es der Umstand, daß in ihr so viele Kulturen zusammengeflossen waren, um ihr jenen gewissen Flair zu geben, der sie von allen anderen Städten der Erde unterschied?
    Ein Dichter hatte einmal in bezug auf Metropolis gesagt: Europa hat die Geschichte geliefert, Amerika Wagemut und Kühnheit – und Afrika den hämmernden Rhythmus des Lebens.
    In der Stadt selbst vergaß man nur allzu rasch, daß sie ein sorgfältig geplantes, am Reißbrett konzipiertes, künstliches Gebilde war.

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