Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition)
abend – was Sie gewiß noch nicht wissen – vor einen höheren Richter gestellt. Er ist tot, Sir.«
Captain Romen setzte seine Mütze auf, grüßte und ging.
Der giftige Pfeil, den er als letzten abgeschossen hatte, steckte in meinem Herzen. Wie sehr ich mir auch immer wieder vorhielt, daß alles, was im Zusammenhang mit Doktor Perry geschehen war, seine Ordnung hatte – denn alles andere war undenkbar, unvorstellbar: ich konnte doch nicht vermeiden, vom Tod meines langjährigen Freundes erschüttert zu sein.
Die Flasche Whisky war kaum angebrochen. Ich setzte mich und trank sie leer – mit der sturen Konsequenz eines Mannes, der sich vorsätzlich betäuben will.
Doktor Perry war schuldig.
Alles freundschaftliche Bedauern hin und her: er hatte sein Los verdient. Er und alle anderen Missetäter, die noch vor einem Jahr durch die Maschen des Gesetzes geschlüpft wären, weil es keine Instanz gab, um sie aufzuspüren, zu überführen und im Anschluß daran gerecht abzuurteilen.
SALOMON 76 hatte es an den Tag gebracht: Caldwell war unter dem Messer des Chirurgen gestorben, weil er vor einiger Zeit ein vorübergehendes Verhältnis mit Doktor Perrys Frau gehabt hatte. Das Motiv dieses grauenvollen Mordes war Eifersucht, war verletzte Eitelkeit. Die Beweiskette war lückenlos.
Verdammt noch mal! Wenn alles so glasklar war – warum soff ich dann?
Tat ich das etwa, weil ich mich von Captain Romen hatte anstecken lassen und nun auch meinerseits die Unfehlbarkeit dieses Kalaschnikowschen Computers anzweifelte?
Nicht doch!
Zum Zweifeln bestand nicht der mindeste Grund.
Ich soff lediglich, weil ich mich der menschlichen Unzulänglichkeit schämte.
Doktor Perry, dieser gottverdammte Narr!
Als mir der Whisky nicht mehr schmeckte – und die Flasche leer war –, schaltete ich das Fernsehen ein. Nachrichten, Kommentare, ein utopischer Film, angesiedelt in einem fernen Jahrtausend – nichts, was mich interessierte. Nach längerem Suchen stieß ich schließlich auf eine Sendung, die beruhigend auf meine Nerven wirkte. STELLA-TV, das neue erdumkreisende Studio, übertrug aus Warschau die Chopin-Tage. Das 1. Klavierkonzert in e-Moll stimmte mich friedlich.
Als Ruth kam, war ich wieder halbwegs nüchtern; auf jeden Fall merkte sie mir nichts an.
Ich wollte das Fernsehen abschalten, aber sie hielt mich zurück. »Laß!« sagte sie. »Chopin ist meine große Liebe.«
»Vor mir oder nach mir?« fragte ich.
Ruth lachte glücklich. »Wenn es um Musik geht – vor dir. Ansonsten – nach dir!«
Ich vergaß den Zwischenfall mit Captain Romen. »Ausnahmsweise«, sagte ich, »will ich großzügig sein. Eifersucht auf einen toten Musiker hat leicht etwas Lächerliches.«
»Ich wollte«, sagte Ruth, »ich könnte dies auch von meiner Eifersucht auf deine Sterne behaupten. Manchmal habe ich es satt, dich mit ihnen zu teilen. Wen liebst du eigentlich mehr – mich oder sie?«
Ich muß wohl ein betroffenes, unglückliches Gesicht gemacht haben, denn Ruth enthob mich der Qual einer Entscheidung. »Zerbrich dir nicht den Kopf, Mark! Ich liebe dich so, wie du bist. Ohne deinen Beruf wärest du doch niemals du selbst.«
Erleichtert schöpfte ich Atem. Die Antwort hätte ich nicht gewußt.
Es wurde wieder ein glücklicher Abend. Wir tafelten bei Kerzenschein und romantischer Musik aus Warschau. Champagner und Polonaisen perlten um die Wette.
Erst als Ruth ihre Hand auf die meine legte, fiel mir auf, daß die Musik nicht mehr spielte.
Harry Wilson, der bärtige Gerichtsreporter der STELLA-TV, hatte sich eingeschaltet. »Meine Damen und Herren, die folgende Sendung, mit der wir unsere Direktübertragung aus Warschau unterbrechen, ist in Ihren Programmankündigungen nicht enthalten. Sie wurde in das heutige Abendprogramm aufgenommen auf besondere Weisung von SALOMON 76 ...«
Ich hatte genug gehört und streckte die Hand aus, um das Gerät abzuschalten.
»Nicht!« sagte Ruth rasch. »Laß doch mal sehen, worauf das Ganze hinausläuft.«
Keine fünf Minuten später war das Geheimnis der plötzlichen Programmumstellung geklärt. SALOMON 76 verhandelte via Tochtercomputer Washington gegen einen einundzwanzigjährigen Burschen namens Jim Osborne, der einen Brillantring gestohlen hatte. Aus unerfindlichen Gründen wurde dieses läppische Verfahren in voller Öffentlichkeit geführt.
Auf der gläsernen Wand erschien zunächst der Computerraum Washington mit seinen blinkenden bunten Lämpchen. Danach blendete das Bild über auf den
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