Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition)

Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition)

Titel: Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
Vom Netzwerk:
sogenannten Verhandlungssaal. Darunter zu verstehen war eine etwa zwei mal drei Meter große schmucklose, schalldichte Kabine, in der der ertappte Dieb schweißüberströmt und mutterseelenallein festgeschnallt auf dem elektronischen Sessel saß.
    Rotlicht bedeutete Anklage, Grünlicht Verteidigung. Beide Seiten des ferngesteuerten Computers brachten mit mechanischen, leidenschaftslosen Stimmen ihre Argumente vor. Jim Osborne, der Angeklagte, leugnete beharrlich, etwas mit dem ihm zur Last gelegten Diebstahl zu tun zu haben, aber es war offensichtlich, daß er log. Das schlechte Gewissen war ihm ins Gesicht geschrieben.
    Rotlicht legte die Beweise vor: ein Dutzend Indizien, die von Grünlicht nicht entkräftet werden konnten.
    Außerdem war da noch der Brillantring selbst. Die Polizei hatte ihn in der Tasche des Angeklagten gefunden.
    In einer knappen Viertelstunde war alles vorbei. Weißlicht flammte auf: SALOMON 76 hatte sich eingeschaltet und sprach das Urteil: »Jim Osborne, in Übereinstimmung von Recht und Gerechtigkeit verurteile ich Sie zu zehn Jahren Zwangsarbeit, abzubüßen in einer Strafkolonie auf dem Uranus.«
    Jim Osborne bäumte sich auf, wie um zu protestieren – doch da erlosch auch schon das Bild. Die Übertragung war zu Ende. Warschau meldete sich wieder mit den Klängen von Chopin.
    Als ich einen Blick hinüberwarf zu Ruth, merkte ich, daß etwas sie bedrückte.
    »Mark.«
    »Ja?«
    »Hast du das Urteil gehört?«
    »Zehn Jahre. Und?«
    »Zehn Jahre für einen einfachen Diebstahl! Ist das nicht ein bißchen viel?«
    Captain Romen fiel mir ein, und darum antwortete ich gereizt: »Ruth, Liebling, der Junge ist ein Dieb! Willst du uns den schönen Abend verderben, indem du einen Dieb bedauerst?«
    Ruth sah mich überrascht an. »Mark, kannst du dir überhaupt vorstellen, was das ist für einen so jungen Menschen: zehn Jahre Zwangsarbeit auf dem Uranus? Und wenn er den Diebstahl nun gar nicht begangen hat?«
    Da ich Ruth nicht verletzen wollte, bezwang ich meinen aufsteigenden Groll. »Natürlich hat er ihn begangen. Er wurde hundertprozentig überführt.«
    Ruth schüttelte störrisch ihr rotes Haar. »Überführt wurde er doch nur, weil Grünlicht schwach war. Die Verteidigung hat nichts getaugt! Ein alter, erfahrener Verteidiger hätte den Jungen doch im Handumdrehen rausgepaukt!«
    »Zum Glück«, widersprach ich hartnäckig, »sind deine alten, erfahrenen Verteidiger mit all ihren Tricks und all ihrer Stimmungsmacherei für den Angeklagten abgeschafft. SALOMON 76 kennt keine Tricks und keine Gefühle. Ich gebe zu, das Urteil ist hart – aber auf jeden Fall ist es gerecht. Und jetzt laß uns von etwas anderem reden!«
    Chopins As-Dur-Polonaise erklang: heroisch, aufrührerisch, mitreißend.
    Ich zwang mich zu einem Lächeln.
    »Mir scheint«, sagte ich, »wir alle haben noch ein Stück Vergangenheit im Blut – sonst würde uns diese alte Musik nicht gefallen.«
    Ruth gab keine Antwort. Sie hatte sich abgewandt, und ihre Schultern zuckten.
    »Ruth!« fragte ich beklommen. »Ruth, was ist?«
    Sie stand plötzlich auf, ging hinüber ins Nebenzimmer, und ich konnte hören, daß sie sich schneuzte.
    »Es ist nichts, Mark, vielleicht hast du recht. Vielleicht muß man sich endlich daran gewöhnen, mit dem Neuen zu leben. Auch wenn es einem schwerfällt, sich damit anzufreunden.«
    Der Abend war mir vollends verdorben. Erst Captain Romen mit seinen Zweifeln, nun Ruth mit ihren Tränen! Und all das, weil sie die große Wende nicht begriffen, die es in unserem Leben gegeben hatte, weil sie nicht einsehen wollten, daß der Mensch nur deshalb aufgestiegen war vom biblischen Herrn über die Erde zum Beherrscher des Universums, weil er sich kraft seiner Intelligenz Maschinen schuf, die ihm an physischer und geistiger Leistung um ein Vielfaches überlegen waren – wie zum Beispiel SALOMON 76.
    Was entsetzte die beiden nur so?
    Letztlich doch nur der Umstand, daß es auf einmal keine Kluft mehr gab zwischen Recht und Gerechtigkeit! Jeder bekam, was er verdient hatte: ob Freund eines Zigeuners, ob angesehener Chirurg, ob schäbiger Dieb.
    Die Musik brach ab.
    Harry Wilsons bärtiges Gesicht beherrschte erneut die gläserne Wand. »Meine Damen und Herren, auf besondere Weisung von SALOMON 76 als unserer höchsten richterlichen Instanz unterbrechen wir ein weiteres Mal unsere Übertragung aus Warschau, um Ihnen eine wichtige Meldung zu übermitteln. Ich bitte um etwas Geduld.«
    Harry Wilson wurde

Weitere Kostenlose Bücher