Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition)
ausgeblendet. An seine Stelle trat das Pausenzeichen von STELLA-TV.
»Mark, was hat das zu bedeuten?« Ruth war wieder eingetreten und hatte sich zu mir auf den Schoß gesetzt.
Ich zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Wir werden‘s gleich erfahren.«
»Ich möchte lieber Chopin hören! Ich kann diesen gräßlichen Kommentator nicht ausstehen! Schon seine gespreizte Art zu reden!«
Harry Wilsons Gesicht erschien auf der Wand: bedeutungsvoll und wichtig. »Meine Damen und Herren, auf Weisung von SALOMON 76 habe ich folgendes bekanntzugeben: Jim Osborne, dessen Verhandlung wir vor kurzem übertrugen, ist soeben eines weiteren schweren Deliktes überführt worden. Eine routinemäßige Überprüfung seines Urteils durch SALOMON 76 hat ergeben, daß er Mitglied einer weitverzweigten kriminellen Organisation ist, die es sich zum Ziel gesetzt hat, durch systematisch betriebene Eigentumsdelikte unser Rechtssystem lahmzulegen. Unsere Polizeibehörden wurden in Alarmzustand versetzt. Die ersten Haftbefehle werden soeben von SALOMON 76 an die entsprechenden Tochtercomputer übermittelt. Mit den ersten Ergebnissen dieser gezielten Fahndung ist in Kürze zu rechnen. Ob und in welchen Ausmaß in diesen besagten Fällen öffentlich verhandelt werden wird, will SALOMON 76 erst zur gegebenen Zeit bekanntgeben ... Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen weiter einen angenehmen und unterhaltsamen Abend.«
Harry Wilsons bärtiges Gesicht erlosch. Statt seiner beherrschte wieder ein polnischer Pianist die gläserne Wand.
Ruth flüsterte: »Mark! Mark, was hat das zu bedeuten?«
An diesem Tag hatte ich mich genug geärgert. Meine Antwort fiel ziemlich brüsk aus: »Du hast es doch gehört, was es zu bedeuten hat! SALOMON 76 beginnt mit dem Aufräumen.«
Ruth O‘Hara warf plötzlich ihre Arme um meinen Hals und schmiegte sich zitternd an meine Brust. »Du magst ja mit allem recht haben, Mark! Vielleicht ist das wirklich alles nur Recht und Gerechtigkeit. Aber ich habe Angst, Mark! Ich habe Angst.«
Kapitel 06
Der Tag, an dem ich meinen Dienst wieder antrat, brachte einen Hauch von vorzeitigem Frühling. Blau und wolkenlos wie der Himmel über dem Atlantik war auch meine Stimmung. Als ich das bewachte Portal zur Haupthalle der VEGA-Zentrale durchschritt, war ich wieder ganz der alte Commander Mark Brandis: geheilt an Leib und Seele.
In der Disposition ließ ich mir den Dienstplan vorlegen. Auf dem Programm stand ein eingeschränkter Testflug mit der inzwischen wiederhergestellen und grundüberholten Ares I. Der Start war für 09.30 Uhr vorgesehen.
Die Crew befand sich bereits im Warteraum. Ein neuer Zweiter Ingenieur war mir zugewiesen worden. Seine Personalakte lag bei. Im Stehen blätterte ich sie durch: Jan Minkowski, geb. 16. Februar 2045 in Krakau, Polen. Hautfarbe weiß. Ausbildung zum Ingenieur (astron.) in der Technischen Hochschule Moskau und auf der VEGA-Schule für Raumfahrt in New York. Spezialisierung auf das Fachgebiet Elektronik; Verfasser einiger einschlägiger Publikationen. Teilnahme an mehreren Expeditionen.
Mit dieser Kommandierung gab mir Harris zu verstehen, daß er nach wie vor voll hinter mir stand. Jan Minkowski zählte zur ersten VEGA-Garnitur. Ich konnte mit der getroffenen Wahl mehr als zufrieden sein.
Ich ließ mich mit Captain Romen verbinden.
Sein Gruß fiel knapp und kühl aus. »Sir?«
»Ich habe hier noch zu tun. Es wäre mir lieb, wenn Sie bereits an Bord gingen und sich die Checkliste vornähmen.«
»Aye, aye, Sir.«
»Ich komme nach, sobald ich kann.«
Nach diesem Gespräch begab ich mich zum Fahrstuhl und ließ mich hinauftragen zum Direktionstrakt im fünfunddreißigsten Stock.
Als ich dort den Fahrstuhl verließ, wurde ich aufgehalten. Ein junger Polizist in tadelloser blauer Uniform vertrat mir mit angelegter Waffe den Weg.
»Augenblick, Sir. Darf ich Ihren Ausweis sehen?«
Heute, da ich an diesen Vorfall zurückdenke, vermag ich kaum noch mit Sicherheit zu sagen, ob ich, als dies geschah, lediglich überrascht und verwirrt oder peinlich berührt und beunruhigt war. Auf jeden Fall blieb ich stehen und zückte meinen Dienstausweis.
Der Polizist nahm ihn mir aus der Hand, prüfte ihn sorgfältig, und reichte ihn mir dann zurück. »Liegt nichts vor. Darf ich fragen, zu wem Sie wollen?«
Nun erst, glaube ich, begann mir zu dämmern, daß sich im Direktionstrakt der VEGA etwas zutrug, was nicht in den Bereich alltäglicher Routine gehörte. »Mir scheint, junger Mann«,
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