Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition)
gewohnte Borddisziplin setzte sich durch. Der nüchterne Alltag einer astralen Reise begann.
»Captain Romen!«
»Sir?«
»Triebwerk zünden!«
»Triebwerk zünden! Aye, aye, Sir.«
Lieutenant Simopulos meldete sich. »RC an Brücke! Sir, wir bekommen Besuch. Es scheint sich um ein Rudel Zerstörer zu handeln.«
»Danke, RC! Behalten Sie den Pulk im Auge!«
Lieutenant Merciers Stimme erreichte mich. »FK an Brücke, Sir, der Tower spielt verrückt. Er will wissen, was hier los ist.«
»Danke, FK! Bestellen Sie ihm einen Gruß – und er soll bei Gelegenheit einmal einen Blick in die Zeitung werfen!«
Captain Romen nickte – und diesmal war er nicht länger der verwegene Zigeuner, als den ich ihn während der Gefangenschaft kennengelernt hatte. Sein braunes Gesicht zeigte den konzentrierten Ernst des Piloten unmittelbar vor dem Start: ein Gesicht wie aus Stein gehauen.
»Triebwerk läuft, Sir! Alle Anzeigen normal.«
»Dann los, Captain!« sagte ich höchst vorschriftswidrig. »Machen wir uns aus dem Staub, bevor es hier mulmig wird!«
Die Ares I hob ab. Einen Atemzug lang schien sie auf ihrem Feuerstrahl ausruhen zu wollen, unfähig sich von der Erde zu trennen – doch gleich darauf preßte mich eine unwiderstehliche Gewalt in meinen Sessel zurück. Das Schiff hatte Fahrt aufgenommen und stieg den Sternen entgegen, schneller und immer schneller. Es durchstieß den Pulk der heranrasenden Zerstörer, bevor die Falle zuschnappen konnte, und tauchte ein in das ungemilderte Licht einer riesigen Sonne.
»Pilot an Commander! Ares I ist gestartet. Sir, dürfte ich jetzt um den Kurs bitten?«
Captain Romens Frage war korrekt. Dennoch versetzte sie mich für eine Weile in einen Zustand der Verwirrung. Dies war kein Flug wie jeder andere – mit klarem Auftrag und festem Ziel.
Rechtlich gesehen, waren wir Piraten. Wir hatten uns mit Waffengewalt eines Schiffes bemächtigt und befanden uns auf der Flucht. Jedes Kriegsschiff der EAAU – und sogar der VOR – durfte und mußte uns ohne Warnung angreifen und vernichten. Wir standen außerhalb des Gesetzes. Zum erstenmal begriff ich, was es bedeutete, vogelfrei zu sein.
Dennoch – eine Entscheidung mußte getroffen werden, und da es zunächst hauptsächlich darum ging, etwaige Verfolger abzuschütteln und möglichen Zusammenstößen im Raum auszuweichen, gab ich bekannt: »Gehen Sie vorerst auf Kurs Saturn, Captain! Das Kartenhaus wird Ihnen die Koordinaten geben.«
Kapitel 13
Fünfzig Stunden nach dem Start ließ es sich sagen, daß uns die Flucht gelungen war. Die Ares I war eingetaucht in die unkontrollierte Weite des Raumes, in diesen unermeßlichen Ozean unter den Sternen, in dem sich jede Spur verliert. Endlose Leere war alles, was sich auf den Radarschirmen abzeichnete.
Im Augenblick saßen uns keine Verfolger hart auf den Fersen. Wo – da sie unseren Kurs nicht kannten – sollten sie uns suchen?
Dennoch – davon war ich überzeugt – war die Jagd auf uns nicht eingestellt. SALOMON 76 würde nicht einfach aufgeben, sondern kombinieren und kombinieren bis zum Heißlaufen, er würde unsere Personalakten und registrierten Gepflogenheiten ein ums andere Mal überprüfen und, falls ihm dies noch nicht genug war, zusätzliches Material verlangen: über alle unsere Flüge, über alle in Betracht zu ziehenden Präzedenzfälle.
Bisher war noch jeder Raumpirat früher oder später zur Strecke gebracht worden – und dies sogar in jenen Jahren, in denen an SALOMON 76 noch nicht zu denken gewesen war.
Vorerst freilich bestand keine unmittelbare Gefahr. Ich konnte es mir leisten, Captain Romen anzuweisen, die Schiffsführung der Automatik zu überlassen, um in der winzigen Messe vor versammelter Crew eine Lagebesprechung anzusetzen.
Was es dabei zusagen gab, hatte ich mir lange und reiflich überlegt; dennoch kamen mir die ersten Worte nur zögernd über die Lippen.
Die Mannschaft setzte unverändert ihr volles Vertrauen in mich – aber hatte ich nach allem, was geschehen war, noch immer das Recht, meine Stellung an Bord auf die alten Regeln zu stützen?
»Meine Herren, bevor wir darangehen, unseren nächsten Schritt zu diskutieren, möchte ich ein Problem zur Sprache bringen, das mir sehr am Herzen liegt. Dieses Problem bin ich selbst.«
Ich zögerte, dann fuhr ich entschlossen fort: »Als ich die Führung dieses Schiffes übernahm, geschah dies auf der Grundlage einer festen Rangordnung. Inzwischen hat sich vieles verändert. Dies Schiff untersteht
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