Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition)
»Bester Mann«, sagte er, »darauf können Sie lange warten! Die Regierung sitzt seit gestern hinter Schloß und Riegel. Verschwörung gegen die Justiz! Ein einwandfreier Fall des versuchten Putsches. Ein Glück nur, daß wir den sauberen Herren zuvorgekommen sind. SALOMON 76 war schneller.«
Es scheint, daß ich ein ungläubiges Gesicht gemacht habe, denn Major Wolter fuhr mit schneidender Ironie fort: »Da Sie schon einmal so tun, als seien Sie hier zu Hause, dann greifen Sie ruhig in meine Schreibtischlade! Das LT ist noch brandfrisch.«
Ich gab Lieutenant Mercier ein Zeichen.
Er verstand und legte dem Major die Hand auf die Schulter. »Kommen Sie!«
Ich hatte nichts erreicht mit diesem Gespräch. Major Wolter fühlte sich weiterhin im Recht. Für ihn gab es weder Skrupel noch Zweifel, solange nur die Ordnung der Dinge gewahrt blieb. Bestimmt hatte er alle die Nächte, seitdem er sein abstoßendes Handwerk verrichtete, gut und traumlos geschlafen. Menschen wie er wurden von keinen Furien heimgesucht. Warum? Sie taten ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Über Sinn und Unsinn, Schuld und Unschuld dachten sie nicht nach.
Und ich hatte geglaubt, Menschen wie dieser Major Wolter gehörten längst der Vergangenheit an! Es war ein fataler Irrtum.
Ich überwand mein Unbehagen und griff nach dem LT. Es lag am angegebenen Ort.
Gleich darauf begannen die eingebrannten Buchstaben der Folie vor meinen Augen zu tanzen.
An alle Polizeidienststellen!
I.
Auf Weisung von SALOMON 76 wurde die Regierung der EAAU in dem Augenblick verhaftet, als sie zu einer außerordentlichen Sitzung zusammentrat. Thema der Beratung sollte die Enthaftierung von Professor Kalaschnikow sein.
Der Tatbestand der Verschwörung gegen die Justiz ist erfüllt. Sämtliche festgenommenen Personen werden sich vor Gericht verantworten müssen.
II.
Mit Datum dieses LTs geht die Regierungsgewalt auf SALOMON 76 als die oberste Justizbehörde der EAAU über.
Einige Minuten lang war ich wie betäubt. Der Boden unter mir schien aufzubrechen. Ich stürzte in einen Abgrund der Verzweiflung.
»Sir!«
Ich blickte auf. Lieutenant Xuma stand vor mir. »Ja?«
»Wir sind so weit, Sir. Der Proviant ist an Bord, die Sprengladungen sind verlegt.«
»Danke.«
Lieutenant Xumas Blick wurde forschend. »Sir! Sir, fehlt Ihnen etwas?«
Wortlos reichte ich ihm die Folie.
Nachdem er das LT gelesen hatte, war er grau im Gesicht. »O Gott«, stöhnte er. »Und was weiter?«
»Nichts weiter!« sagte ich. »Der totale Polizeistaat ist geboren. Wollen Sie ihn aus den Angeln heben? Womit? Mit einem lächerlichen Schweren Kreuzer? Wir wollen uns nichts vormachen, Lieutenant. Das ist das Ende. Wir können weiterflüchten – oder auch hierbleiben und die Arme heben. Es läuft auf das gleiche hinaus.«
Lieutenant Xuma stützte sich schwer auf den Schreibtisch. »Sir! Sir, soll das heißen – Sie geben auf?« »Das heißt«, erwiderte ich, während ich nach meiner Mütze griff, »daß ich mir keine Illusionen mehr über unsere Zukunft mache, Lieutenant. Daß man die Ares I zur Strecke bringt, ist nur eine Frage der Zeit.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Wir starten in zehn Minuten. Wer ist für die Sprengladungen zuständig?«
»Lieutenant Minkowski, Sir.«
»Richten Sie ihm aus, daß er anfangen soll!«
Lieutenant Xuma zögerte. »Da wäre noch etwas, Sir!«
»Ja. Und was?«
»Eine Dame will Sie sprechen, Sir.«
»Eine Dame?«
»Eine von den Häftlingen. Eine gewisse Miß Shellaberger. Sie behauptet, Sie zu kennen, Sir.«
»Miß Shellaberger?« Ich kramte in meiner Erinnerung. »Ich kann mich nicht entsinnen, Lieutenant, Worum geht es?«
»Wenn ich sie recht verstanden habe, Sir, um diesen Professor Kalaschnikow.«
Auf einmal war mir das Bild der Blondine im INSTITUT FÜR ANGEWANDTE ELEKTRONIK wieder gegenwärtig. Sie hatte bedauert, mich abweisen zu müssen. Sollte sie bereits damals mehr gewußt haben, als sie mir gegenüber zugegeben hatte?
»Also gut.« Ich nickte. »Bringen Sie sie her, Lieutenant!«
Miß Shellaberger – Olivia Shellaberger, wie ich alsbald erfuhr – war von den hinter ihr liegenden schweren Tagen gezeichnet.
Was Wunder! Wir alle, die wir mit SALOMON 76 zu tun gehabt hatten, trugen unsere untilgbaren Spuren. Gefangenschaft, Verurteilung, das Warten auf den Tod – all das hinterläßt seine Brandmale.
»Sir«, sagte sie, stockend zunächst, »als ich Sie vorhin sah – von weitem –, ich traute meinen Augen nicht
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