Mark Brandis - Salomon 76 (Weltraumpartisanen) (German Edition)
wieder einige, die ihm auf dem langen, ungewissen Weg in eine bessere Zukunft voranleuchteten wie lodernde Fackeln in der Nacht: die Dichter, die Philosophen, die großen Staatsmänner – und oft genug auch die Namenlosen, die kein Geschichtsbuch nennt.
Auch Lieutenant Stroganow war tief erschüttert. Er fragte: »Was haben Sie jetzt vor, Sir?«
»Wir werden Proviant übernehmen«, erwiderte ich, nur mühsam beherrscht, »und dann, wenn uns die Zeit noch bleibt, diese Anlage zerstören.«
»Nur die Anlagen, Sir?« Lieutenant Stroganow protestierte. »Die ganze Station müßte vom Himmel verschwinden!«
Seine Empörung war verständlich. Dennoch konnte ich ihm nicht zustimmen. »Und wie, Lieutenant«, fragte ich, »wollen Sie, bevor wir mit der Zerstörung beginnen, dreihundertundzwölf befreite Sträflinge und einundvierzig Polizisten abtransportieren?«
Lieutenant Stroganow senkte betreten den Blick. »Verzeihung, Sir«, brummte er. »Sie haben recht. Daran habe ich noch nicht gedacht.«
Was den Proviant anging, so hatte mich meine Ahnung nicht getrogen. In den Speichern von TRABANT IX lagerte genug Verpflegung, um fünfzig Schiffe für lange Zeit zu versorgen.
Ich wies Sergeant Dahlsen an, mit der Verproviantierung zu beginnen. Obwohl Lieutenant Simopulos als Radarwache an Bord zurückgeblieben war, traute ich dem Frieden nicht so recht und zog es vor, den Aufenthalt auf TRABANT IX so kurz wie möglich zu halten. Nach einem Gefecht mit einem herbeieilenden Raumgeschwader stand mir keinesfalls der Sinn.
Mochte die Ares I rechtlich auch ein Piratenschiff sein – solange sie unter meinem Kommando stand, würde sie überflüssigen bewaffneten Auseinandersetzungen aus dem Wege gehen.
Lieutenant Mercier erhielt den Befehl, den gefangengesetzten Kommandanten der Station, Polizeimajor Wolter, zu mir zu bringen. Ich empfing ihn in seinem eigenen Büro.
Major Wolter erwies sich als harter, unbeugsamer Mann, der sich nur zähneknirschend in sein Schicksal fügte. Dem Typ nach – blond, blauäugig, schlank und hochgewachsen – hätte er zwei Jahrhunderte zuvor einen idealen preußischen Kavallerieoffizier abgeben können.
Ich war überrascht – wohl weil ich mir von einem Henker, was Major Wolter letztlich war, eine andere Vorstellung gemacht hatte.
»Sir«, sagte er eisig, »ich protestiere!«
Da er es nicht für nötig befunden hatte, vor mir zu salutieren, blieb ich sitzen. »Ihr Protest, Major«, erwiderte ich, »ändert nichts an den Tatsachen. TRABANT IX ist in meiner Gewalt. Bevor ich die Station wieder verlasse, werde ich die Todeskammer außer Betrieb setzen. Außerdem werde ich die Häftlinge bewaffnen.«
Major Wolter bekam weiße Lippen. »Sir«, sagte er, »wenn Sie das tun, liefern Sie meine Männer und mich dem sicheren Tode aus!«
Ich schüttelte den Kopf. »In diesem Punkt, Major, bin ich anderer Ansicht. Sie hätten recht, falls es sich bei den unglücklichen Menschen, die hier auf ihren Tod warteten, um echte Kriminelle gehandelt hätte. Doch einen echten Kriminellen – davon bin ich überzeugt – werden sie in der ganzen Schar nicht finden. Es handelt sich durchweg um ehrliche, anständige Bürger der EAAU, die das Pech hatten, das Opfer eines ungeheuerlichen Justizirrtums zu werden. Seien Sie also unbesorgt, Major. Niemand dieser Leute wird sich an Ihnen vergreifen.«
Ich hoffte auf Verständnis zu stoßen – doch noch während ich sprach, spürte ich, daß meine Hoffnung vergebens war.
»Sie gestatten, Sir«, sagte Major Wolter, »daß ich Ihnen widerspreche. Alle diese Leute, die Sie so sehr bedauern, wurden ihrer Verbrechen überführt und ordnungsgemäß verurteilt. In meinen Augen handelt es sich um eine Bande übler Missetäter, die ihr Schicksal voll und ganz verdient.«
»Mit Schicksal«, fragte ich, »meinen Sie doch wohl die Hinrichtung?«
Major Wolter bestätigte das: »So ist es.«
»Und Sie selbst«, forschte ich weiter, »haben keinerlei Schwierigkeiten, einen so unmenschlichen, barbarischen Urteilsspruch in Einklang mit Ihrem Gewissen zu bringen?«
»Ich erfülle nur meine Pflicht.«
»Als Henker!«
»Als Beamter des Gesetzes. Sie hingegen ...«
»Ja?«
»Ich möchte wissen, worauf Sie sich berufen. Auch ein Pirat hat schließlich seinen Ehrenkodex.«
Ich beugte mich vor. »Sie haben recht, Major. Ich berufe mich auf das Gewissen unserer Regierung, das früher oder später diesem Wahnsinn ein Ende bereiten wird.«
Major Wolter krümmte sich vor Lachen.
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