Mark Brandis - Unternehmen Delphin (Weltraumpartisanen) (German Edition)
ihm gelingen würde, den Schaden mit den ihm zur Verfügung stehenden Bordmitteln rechtzeitig genug zu beheben.
Commander Brandis hatte sich in den Ruheraum zurückgezogen. Es war mir unverständlich, woher er seine Gelassenheit nahm. Ich hatte Mühe, meine Nervosität vor den anderen zu verbergen.
Ibaka kaute auf einem Kaugummi herum. Seine schwarzen Hände trommelten auf dem Kommandopult einen monotonen afrikanischen Rhythmus: Tam, Tam, Tam-Tam-Tam, Tam, Tam, Tam-Tam-Tam. Sein Gesicht war grau, und er schwitzte. Das Gehämmer machte mich verrückt. Es kostete mich Überwindung, nicht auf ihn einzuschreien.
Stroganow hatte sich in den Schutz seines Mützenschirmes zurückgezogen und gab vor zu dösen. Aus der Art, in der er dann und wann schluckte, ersah ich freilich, daß es mit seinem Gleichmut nicht sehr weit her war. Das Warten machte auch ihm zu schaffen. Wahrscheinlich litt er unter der gleichen lähmenden Furcht wie ich. Vielleicht galten seine Gedanken seiner Familie, von der er nichts mehr gehört hatte, seitdem sie auf der Venus zurückgeblieben war: seine Frau Mascha und sein knapp siebenjähriger Sohn. Ibakas Familie teilte das Schicksal. Die Lippen des grauhaarigen Navigators bewegten sich wortlos, und auf einmal war mir klar, was er tat. Er betete.
Um 07.28 Uhr traf endlich der Schwere Kreuzer Apollo ein, zunächst nichts als ein winziges glühendes Pünktchen auf einem der Radarschirme. Er meldete sich mit dem vereinbarten Codewort – nur um uns wissen zu lassen, daß kein Grund zur Beunruhigung vorlag, ansonsten wahrte er die erforderliche Funkstille. Ich benachrichtigte den Commander.
Commander Brandis betrat das Cockpit, als vor den Fenstern der silberne Leib der Apollo auftauchte und ihr Morsescheinwerfer zu zwinkern begann. »C an C: Triebwerk arbeitet jetzt wieder zufriedenstellend.«
Commander Brandis nickte Stroganow zu. »Bestätigen Sie!«
»Aye, aye, Sir.«
Ich beobachte den Commander, als er seinen Platz an meiner rechten Seite einnahm. Ich versuchte, so etwas wie ein verräterisches Loch in seiner ruhigen Gelassenheit zu finden, ein winziges Anzeichen, das mir bestätigen könnte, daß er unter der gleichen Hochspannung stand wie ich. Ich wurde enttäuscht. Was immer er in den qualvollen Minuten des Wartens auf den Angriff empfinden mochte, nach außen hin ließ er sich nichts anmerken. Auf einmal begriff ich, weshalb man ihn hinterrücks oft den verdammten Preußen nannte. Es war weniger eine Anspielung auf seine Herkunft – er stammte aus der Mark Brandenburg –, sondern die widerwillige Anerkennung seiner oft nahezu unmenschlichen Selbstdisziplin.
Als ich das erstemal mit ihm zu tun gehabt hatte, vor jenem nun viele Jahre zurückliegenden Fehlstart, den ich ihm so gerne nachtrug, waren seine hervorstechendsten charakterlichen Eigenschaften Ehrgeiz und eine mit Leichtsinn gepaarte Tollkühnheit gewesen. So hatte ich ihn bis zu unserem unverhofften Wiedersehen auf der Venus in Erinnerung behalten. Nun mußte ich zugeben, daß die Jahre und wahrscheinlich auch die Verantwortung ihn gewandelt hatten. Es überraschte mich selbst, daß ich seine Anwesenheit im Cockpit als Beruhigung empfand.
Commander Brandis warf einen Blick auf die Uhr und begann – zum zweitenmal innerhalb weniger Stunden – mit dem Checken der Waffensysteme.
Ibaka, die Liste in der Hand, mußte ihn abfragen. Der Commander führte die entsprechenden Kontrollen durch und gab die jeweiligen Bestätigungen.
»Zielerfassungsgerät?«
»In Ordnung.«
»Optisches Visier?«
»In Ordnung.«
»Entfernungsrechner?«
»Überprüft und in Ordnung.«
»Kampfcomputer?«
»Überprüft und in Ordnung.«
»Leichtes Waffensystem?«
»Hundert Prozent.«
»Schweres Waffensystem?«
»Hundert Prozent.«
»Raketenschacht?«
»Hundert Prozent.«
»Abschußautomatik?«
»Kontrolliert und gesichert.«
»Handauslöser?«
»Kontrolliert und gesichert.«
Der gesamte Waffencheck bestand aus hundertunddreizehn Positionen. Nicht eine davon wurde übergangen. Nur dieser scheinbar geringfügigen Tatsache – der Wiederholung eines bereits zur vollen Zufriedenheit ausgefallenen Kontrollvorganges – ließ es sich entnehmen, daß auch Commander Brandis sich mit dem bevorstehenden Angriff auf die Totalchemie befaßte.
Mir fiel ein, daß wir alle an Bord von Delta VII, dieses kampfstarken Schiffes, juristisch gesehen, immer noch Zivilisten waren. Es gab keine Gehorsamspflicht außer jener, die uns das eigene Gewissen
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