Mark Bredemeyer
Für die Herstellung von Patronen kam in diesen Zeiten natürlich erst einmal ein Schmied infrage! Wahrscheinlich hatte Bliksmani sogar verschiedene Schmiede gleichzeitig beauftragt!
Aber was bedeutete das? Eigentlich nur eines: Ihm ging die Munition irgendwann aus – und das wollte er verhindern.
War das jedoch realistisch? Konnte man mit den beschränkten Möglichkeiten dieser Zeit wirklich Munition herstellen? Und was war mit dem Schießpulver? Es war noch gar nicht erfunden, soweit ich wusste …
Skrohisarn hatte mit diesen metallenen, spitz zulaufenden Kapseln natürlich erst mal nichts anfangen können und hatte sie beiseite gelegt.
»Was ist das denn überhaupt? Das Eisen sieht so anders aus … irgendwie härter!«
»Es ist eine Art Geschoss.«
»So? Eine Schleuder für solche Geschosse habe ich noch nie gesehen. Muss was Römisches sein. Willst du sie haben? Sonst werfe ich sie in den Bach.«
»Nein, nein, gib sie mir! Vielleicht finde ich den Eigentümer ja irgendwann …«
Ich nahm die Patrone sowie Geschoss und Hülse und packte sie zu den anderen Hülsen, die ich in den Dünen aufgesammelt hatte. Später dann, die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt, brutzelten zwei Kaninchen und ein Rest Getreidebrei über dem langsam glimmenden Torffeuer. In den Schlingen hatten tatsächlich noch lebende Kaninchen gesteckt, für die der Schlag auf den Kopf eine Erlösung ihrer tagelangen Qualen gewesen war. Doch die Aussicht auf gebratenes Fleisch vertrieb jedes Mitgefühl allzu schnell und so duftete es bereits verlockend im düsteren Innern des Hauses. Dyr bekam auch seinen Anteil. Er war zwar nicht gerade ausgehungert, aber er stürzte sich mit Begeisterung auf zahlreiche Knochen mit Fleischfetzen, die wir ihm zuwarfen.
Wir hatten uns vorgenommen, bei gutem Wetter am nächsten Morgen wieder zurückzureiten. Die drei Ochsen und zwei Ziegen sowie Dyr wollten wir natürlich mitnehmen, alles andere zunächst hierlassen. Werthliko spielte immer noch mit dem Gedanken, bald schon das Schmiedehandwerk seines Vaters fortzuführen, dafür musste er sich jedoch erst mit seinen Brüdern abstimmen.
Im Morgengrauen ging ich ein weiteres Mal mit Werthliko zu dem alten Holunderbaum am Haus. Geisterhaft, aber auch friedlich und würdevoll wachte er über die lieben Verstorbenen, Werthlikos Familie. Ich spürte sofort den Trost und den Frieden, den dieser betagte Baum als Wächter über die Toten verströmte, mehr als jeder Mensch in Worten hätte spenden können. Er war die Kraft des Lebens, er war, was übrig blieb, wenn die Menschen gingen. Ich dachte an meine Zeit, meine Welt und daran, dass Bäume dort nur noch als Baumaterial angesehen wurden. Ihre Heiligkeit, die Erkenntnis über ihren Wert für das Seelenleben dieser Menschen würde im Laufe der kommenden Jahrtausende verschwinden. Mir fröstelte.
Kurz darauf trotteten wir mit unserer kleinen Herde wieder zurück. Ich konnte das Wiedersehen mit Frilike kaum abwarten und war höchst gespannt auf das Gespräch mit ihrem Vater. Würde er wirklich sofort einwilligen? Was würde Frilike dazu sagen? Mich zu heiraten und mit mir zusammenzuleben? Ich ergab mich dieser Vorstellung sooft ich konnte und versank dabei in Tagträumerei.
Am frühen Morgen war die Luft bereits warm und es versprach, ein sonniger Tag zu werden. Wir nahmen uns vor, schnell zurückzureiten, um die Tiere nicht in der Mittagshitze über Gebühr zu strapazieren. Dyr sprang aufgeregt um die Pferde herum, er war sichtlich erfreut, nicht wieder alleine gelassen zu werden und mitgehen zu dürfen. Die drei Ochsen und zwei Ziegen bremsten unser Tempo zwar, aber dadurch, dass der Boden wieder ein wenig trockener geworden war, kamen wir gut voran. Mittlerweile hatte ich den Eindruck, mich schon bestens auszukennen, denn ich erkannte einige Bäume und Steine und hätte von hier aus sogar selbst den Weg gewusst. Das war ein gutes Gefühl!
Gegen Mittag waren wir nicht mehr weit vom Dorf entfernt.
»Meint ihr, es lohnt sich wirklich noch, jetzt wieder zu rasten? Ich würde gerne das letzte Stück schneller reiten und dann im Dorf essen und trinken! Ich habe Vater doch versprochen, bei Mutter und Frilike zu bleiben …«
Werthliko und ich nickten.
»Ist in Ordnung. Es wäre nur wegen der Pferde, aber die schaffen es auch noch das restliche Stück.«
Trockener Schaum hatte sich mittlerweile den Gäulen am Maul gebildet. Sie waren sichtbar durstig und nur die kühlenden Schatten der Bäume spendeten ein
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