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Mark Bredemeyer

Mark Bredemeyer

Titel: Mark Bredemeyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Runenzeit 1- Im Feuer der Chauken (German Edition)
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    Sie maß die Bäume. Eine Esche oder eine Vogelbeere? Sie entschied sich für die Esche. Ein machtvoller Baum, Wodans Baum! Von einem tief hängenden Zweig schnitt sie ein gut armlanges Stück ab und befreite es von den Blättern. Dann zerteilte sie den Zweig in ungefähr gleichlange Stäbe und bannte die Runengeister des Schicksals, des Glücks und des Unheils darauf. Die Heilrunen und Kraftrunen ließ sie außer Acht. Sie würden ihr bei dem, was sie nun vorhatte, nicht weiterhelfen können.
    Den Zweig der Esche zu wählen, war gut und richtig gewesen. Die Verwendung des Eschenholzes würde die Weisheit des Wodan mit einbeziehen. Er würde unmittelbar Einfluss nehmen auf das, was die geritzten Runen ihr zuraunten.
    Als sie einige Zeit später die letzte Rune ritzte, wandte sie sich auf dem Boden hockend unbedacht um. Dabei stützte sie sich direkt auf einer purpurnen blühenden Distel ab, die sie vorher gar nicht bemerkt hatte. Schmerzhaft bohrten sich die dünnen Stacheln der Pflanze in ihren Unterarm und sie zuckte zurück.
    Ein Zeichen? Ja, sicher sogar! Kein Gutes!
    Sie erinnerte sich an einige Zeilen eines der Hauptlieder:
    »Bei dreihäuptigen Riesen sollst du dauernd hausen
oder missen den Mann.
Begierde ergreife dich,
Sehnsucht versenge dich!
Der Distel gleich,
die zerdrückt wurde
am Ende der Erntezeit!«
    Würde sie Godagis verlieren? Ein jeder würde Opfer bringen müssen, das war ihnen immer klar gewesen. Doch wenn es so weit war, kam es stets überraschend und unerwartet.
    Sie führte ihr Werk zu Ende und zog eilig einen Kreis um sich auf dem Boden. Dann setzte sie sich in dessen Mitte und breitete die beritzten Stäbe vor sich aus. Ein Feuer konnte sie nicht machen, denn es regnete nach wie vor. Doch es ging auch ohne, der Regen war genauso gut. Er verband ebenfalls die Welten miteinander, sodass ihr Zauber mit seiner Hilfe und mit den Geistern der Runen wirken würde. Sie murmelte die entsprechenden Worte, wandte sich in alle Himmelsrichtungen, zum Himmel und zur Erde, trank vom Regen, so, wie sie sonst den Rauch getrunken hätte. Ihr Geist fiel infolge des Genusses des Hainwurzextraktes langsam ab und schon nach kurzer Zeit war sie in einen tranceähnlichen Zustand versunken. Ihre Umgebung und den Regen bemerkte sie nicht mehr.
    Als sie einige Zeit später allmählich wieder zu sich kam, schwankte ihr Körper und sie kämpfte mit dem Gleichgewicht. Doch sie war nicht gekippt – auch ein Zeichen! Nun warf sie die Stäbe und beugte sich dicht über sie, um kein Detail zu übersehen. Was sie gerade in ihrer Trance gesehen hatte, spiegelte sich nun tatsächlich in den Losstäben. Der Raterfürst gab Rat, hatte ihr die Zukunft gezeigt und sie versuchte, diese nun zu deuten.
    Wie immer war ihr Traum unklar. Sie hatte dieses und jenes gesehen, einzelne Bilder ohne jeden Zusammenhang. Tod war dabei gewesen, aber auch Heil und Glück. Die Positionen der Runen rundeten ihren Eindruck ab. Murmelnd hockte sie da und prägte sich ihre Lage ein. Schließlich ergriff sie die Stäbe und fing an, die heiligen Zeichen wieder abzukratzen. Sie würde sie gleich verbrennen, so an ihren Ursprung zurückschicken, dann war der Kreis des Zaubers geschlossen. Und sie wusste jetzt, was und wen sie als Nächstes erwartete.
    »Hravan, ich bin nun bereit! Ich werde reiten!«, sagte Godimeri, der in der Tür ihres Langhauses aufgetaucht war. Gerade hatte sie die Losstäbe ins Feuer geworfen, wo sie langsam verglimmten und jede Spur des Zaubers verlöschten.
    »Ich wünsche dir Glück und Heil, Schwager! Sei bei diesem Wetter vorsichtig und wage nicht zu viel!«
    Godimeri blieb weiter in der Tür stehen. »Was haben die Stäbe gesagt? Hast du sie befragt?«
    Hravan sah ihn an und nickte. Sie hatte jetzt Kopfschmerzen, eine übliche Nachwirkung des Hainwurztranks.
    »Ja, ich habe die Stäbe befragt. Doch die Deutung bleibt geheimnisvoll. Godagis’ Schicksal vermochte ich nicht klar zu erkennen. Deswegen reite nun, tue, was du kannst, um ihn zu retten!«
    Godimeri wandte sich um und ging zu seinem Pferd. Hravan sah ihm traurig nach. Sie hatte gelogen, die Zeichen waren deutlich gewesen. Sie würde alleine zurückbleiben – sie und das Kind. Aber schon bald würde jemand kommen und ihren Rat und ihre Hilfe suchen. Und der würde der Schlangenkämpfer sein!
    Doch Godimeri musste es trotzdem versuchen. Sie war nicht bereit, ihren Gatten kampflos zu opfern, das entsprach nicht ihrer Art. Kein Mensch war gut beraten, die

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