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Mark Bredemeyer

Mark Bredemeyer

Titel: Mark Bredemeyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Runenzeit 1- Im Feuer der Chauken (German Edition)
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unterhalb davon noch einmal verstärkt worden, sodass die weiblich geschwungenen Hüften der Figur stark betont wurden.
    »Was ist das?«, fragte ich Skrohisarn erstaunt.
    »Dies ist ein heiliger Platz. Ein Ort, wo sich Welten treffen und an dem man Zugang zu den Göttern und Geistern hat!«
    Er band die Tiere an einer abstehenden Bohle fest und begann, aus einem Beutel etwas von unserer Nahrung herauszuholen.
    »Auf der östlichen Seite, wo die Sonne aufgeht, stehen die Göttermutter und der Göttervater, die die Menschen erschufen.« Dann deutete Skrohisarn zur anderen Seite. »Die ersten Menschen wurden aus dem Holz einer Esche und einer Ulme geschnitzt und sie zeugten uns alle. Wir verehren sie und opfern ihnen, damit die Fruchtbarkeit der Erde und die Fruchtbarkeit der Menschen und Tiere erhalten bleiben! Und an einem heiligen Ort wie diesem, an dem Menschen nicht wohnen können, sind die Geister lebendig, hier empfangen sie unsere Opfer!«
    Wir legten ehrfurchtsvoll einen kleinen Teil unserer Vorräte als Opfergabe nieder, eingeschüchtert von der Magie des Ortes. Die unwirtliche Moorlandschaft, ein grauer Himmel mit tief hängenden Wolken, die grimmigen Figuren, die uns weit überragten – ich spürte, dass hier tatsächlich Grenzen verwischten. Wollte man sich nur darauf einlassen, konnte man die Geister des Moores und der Natur spüren.
    Ein mäßiger Wind kam auf und meine mittlerweile fast schulterlangen Haare flatterten mir vor den Augen. Ich zog den Umhang von meinem Kopf und genoss die frische Luft, die meine Haut sofort angenehm kühlte. Wind war der natürliche Feind der Mücken. Ich atmete tief ein und fühlte mich lebendig.
    Am Abend erreichten wir das Ende des Weges. Dort trafen wir auf eine kleine, armselige Hütte, die Wind und Wetter wohl zu trotzen wusste, für mich aber wie ein Schuppen oder eine Laube wirkte. »Wer ist es, der hier so einsam und abgeschieden lebt?«, fragte ich Skrohisarn.
    »Du wirst ihn gleich treffen. Es ist Esen, der Letzte einer einst stolzen Sippe von Flussfischern.«
    »Wieso der Letzte? Wo ist seine Sippe geblieben?«, fragte ich erstaunt zurück.
    Skrohisarn holte tief Luft und begann dann mit rauer Stimme zu erzählen: »Vor vielen Sommern, als Esen noch jung war, sank sein Fischerboot während eines Sturms auf dem Wiesenfluss. In seinem Boot saß aber ein weiterer Fischer aus einer befreundeten Sippe, Sigvali, mit dem ihn damals eine tiefe Freundschaft verband. Sigvali ertrank und Esen konnte sich retten. Die Sippe von Sigvali machte Esen heftige Vorwürfe und forderte Buße von ihm und seiner Sippe. Doch sie lehnten ab, nannten es einen Unfall und die Schuld Sigvalis, wenn er Fischer sei und kein guter Schwimmer. Die Weigerung, Buße zu tun, sowie diese Beleidigung zerstörten unwiderruflich Sigvalis Sippenehre. Nur Blut würde sie wiederherstellen können. Da Sigvali ein hoch angesehener Mann gewesen war, wollten seine Verwandten an einem entsprechend ehrwürdigen, besseren Mann aus Esens Sippe Rache üben, gar nicht an Esen selbst. Dieses ist üblich und zulässig bei uns, musst du wissen. Esens Ehre wurde als nicht ausreichend angesehen, um die Schmach über Sigvalis Tod auszugleichen. So töteten sie Esens Vater, den Vorsteher der Sippe und würdigeres Ziel der Rache. Sie sahen damit der Wiederherstellung ihrer Ehre Genüge getan. Doch Esens Sippe schätzte die eigene Ehre ebenfalls sehr hoch ein und sah die Vergeltung als übermäßig an. Daher töteten sie nun Sigvalis Vater und dessen ältesten Sohn, der als der zweitbeste Mann der Sippe gesehen wurde. Nachdem bald darauf nur noch wenige Männer sowie die Alten und Frauen und Kinder in beiden Sippen zurückgeblieben waren, raffte ein Hungerwinter und Krankheit den Rest von ihnen hinweg. Einzig Esen blieb übrig, zurückgelassen, vergrämt und allein, seinem Tagewerk als Fischer immer noch frönend!«
    »Eine schaurige Geschichte! Wieso machte Sigvalis Sippe Esen überhaupt den Vorwurf, wenn es ein Unfall war? Sie musste doch damit rechnen, dass eine Fehde daraus würde, wenn sie nach Buße verlangte?«, fragte ich.
    Skrohisarn zuckte die Schultern. »So etwas kommt häufig vor. Mit der Ehre ist nicht zu spaßen, Buße zu tun und Wergeld zu fordern für einen entstandenen Schaden, ist kein Recht, sondern eine Pflicht! Es wäre undenkbar für Sigvalis Sippe gewesen, dies nicht zu tun, eine Schande für alle. Die Verweigerung eines Wergelds durch Esens Sippe war das Unrecht!«
    Das musste ich erst einmal

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