Mark
soll.“
„ Aber akzeptieren die anderen das,
wenn du sagst, dass du es nicht glaubst?“
„ Sie versuchen, einen zu überzeugen.
Ich finde, es bringt nichts, Menschen etwas vorzuschreiben, woran sie sich gar
nicht halten können. Ich hatte eine Freundin aus der Gemeinde. Sie wollte, dass
wir heiraten, aber vorher wollte sie mich nicht mal küssen. Als ich meinte,
dass mir das aber etwas früh ist, das zu entscheiden, haben wir Schluss
gemacht. Kurz bevor ich weggegangen bin, ist sie mit einem Dänen durchgebrannt.
Es hieß, sie wäre schwanger gewesen.“
Daniel musste lachen. „Ich finde nicht, dass
Menschen gezwungen werden sollten, zusammenzubleiben, was ist der Sinn
dahinter? Meine Eltern haben sich getrennt, als ich fünf war, und ich bin sehr
froh darüber, weil sie sich ständig gestritten haben.“
„ Dann ist der Mann, den ich gesehen
habe, gar nicht dein Vater?“
„ Nein, aber das macht für mich
keinen Unterschied.“
„ Und dein leiblicher Vater? Siehst
du den manchmal?“
„ Nicht mehr so oft. Er wohnt in
Uelzen, aber er verreist viel. Er ist Fotograf.“
Daniel hatte keine Lust, an seinen Vater zu denken.
Als er jünger war, hatte er ihn immer bewundert und darauf gewartet, dass er
ihn besuchte und dass er ihn mitnahm auf seine Reisen, aber jetzt wusste er,
dass es nicht seine eigene Schuld war, dass er ihn so selten besucht hatte und
dass es nicht an ihm war, den Kontakt zu suchen, und dass er ihn auch gar nicht
brauchte. Nein, er wollte viel lieber irgendwohin, wo ihm niemand mehr
reinredete und Vorschriften machte.
„ Was ist dein Lieblingsfilm?“,
fragte Mark unvermittelt.
„ Ich weiß nicht, es gibt so viele.
Ich mag eigentlich alle Filme von Hitchcock und von Sam Mendes oder Zhang
Yimou. Aber auch ältere amerikanische Filme, Westernklassiker und neuere.
American Beauty zum Beispiel. Ich mag Filme mit realistischen Figuren, wo man
das Gefühl hat, dass der Regisseur etwas sagen will, ohne dass es moralisierend
wird.“
Mark lachte. „Das ist wirklich eine Menge. Ich weiß
gar nicht, wann ich das letzte Mal im Kino war. Mein Freund, Ben, hat auch
immer sehr viele Filme geguckt. Schade, dass du Hausarrest hast. Sonst könnten
wir einen Film gucken.“
Daniel holte tief Luft. Er wollte sich tatsächlich
schon wieder mit ihm treffen? Bei ihm zu Hause?
„ Ich werde meine Mutter fragen.
Schließlich habe ich nur noch eine Woche Hausarrest.“ Da könnte er ruhig mal
eine Pause bekommen, weil er so gut durchgehalten hatte. Irgendwie hatte er es
tatsächlich geschafft, sein halbes Mathebuch durchzuarbeiten. Da hätte er das
wirklich verdient.
„ Warum hast du eigentlich
Hausarrest?“
Daniel überlegte, ob er es ihm sagen wollte. Er
konnte nicht alles erzählen, und lügen wollte er auch nicht.
„ Ich meine, du musst es nicht
sagen“, fügte Mark schnell hinzu
„ Nein. Ein Freund von mir, Carl, hat
mich gefragt, ob ich mit ihm nach Berlin fahre. Und dann haben wir das einfach
gemacht. Er kennt da einige Leute und wollte unbedingt zu einer Party. Meine
Mutter hat es mir nicht erlaubt, aber ich bin trotzdem gefahren. Ich wollte
eigentlich nur eine Nacht bleiben, aber dann sind wir irgendwie zwei Nächte
geblieben, und ich hatte mein Handy ausgestellt. Als ich wiedergekommen bin,
war meine Mutter natürlich ziemlich sauer. Sie hat sich Sorgen gemacht. Als ob
ich da abgestochen werden würde oder so.“
Daniel
verschwieg, dass er nur wegen der Hoffnung nach Berlin gefahren war, er würde endlich
mal wieder einen gutaussehenden, netten Typen kennenlernen und Sex haben. Er
hatte das Gefühl gehabt, er würde es nicht mehr aushalten. Hier konnte er wohl
darauf warten, bis er sterben würde. Er hatte bisher nur einmal Sex gehabt.
Darüber, dass es überhaupt passiert war, staunte er immer noch. Aber es war
nicht so gewesen, wie er es sich vorgestellt hatte, ganz und gar nicht. Er
wollte endlich wissen, wie es war, wie es richtig war, wenn einen jemand
begehrte, wie es war, diese Gefühle zu teilen. Und dann war rein gar nichts
passiert. Kein netter Typ war aufgekreuzt, der nur auf ihn gewartet hätte.
Nein, aber Carl, der überhaupt nie davon gesprochen hatte, dass er einen Freund
haben wollte, hatte sich verliebt.
Er wollte lieber gar nicht mehr daran denken.
„ Komm mit.“ Er bedeutete Mark, ihm
zu folgen. Seine Mutter spülte gerade Tomaten ab und hatte sie nicht gehört.
„ Hallo.“ Daniel trat an die offene
Arbeitsfläche, die den Küchenbereich
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