Mark
Leitungswasser.“ Mark verdrehte die Augen.
„ Ist ja verständlich, dass sie auf
die Familie achtet, aber ehrlich, ich glaube nicht, dass so was gegen Krebs
hilft.“
„ Ich auch nicht. Man hätte nichts
machen können. Es ist nun mal so. Ich glaube auch nicht, dass es hilft zu
beten. Ich meine, Gott hat das nicht getan. Es ist einfach so.“
„ Glaubst du wirklich, dass es einen
Gott gibt?“
„ Ja. Er ist da. Aber er bestraft
niemanden, das denken viele Menschen, dass der christliche Gott so wäre, dass
er sich einmischt und über uns richtet. Aber so darf man nicht denken.“
Daniel hätte gerne gefragt, wofür dieser Gott dann
da war, aber er spürte, dass das ein heikles Thema war.
Nachdem sie eine Weile nachdenklich geschwiegen
hatten, erhob Mark sich. „Ich werde mal gehen. Hoffentlich kann ich dich noch
mal besuchen.“
„ Ja, wenn ich keinen Hausarrest mehr
habe, ist das kein Problem.“
Als er im Bett lag, war er glücklich wie lange nicht
mehr. Mit Mark konnte er anscheinend über alles reden. Er hätte ihm auch
einfach sagen können, dass er schwul war. Wahrscheinlich hätte er nur „Aha“
gesagt und dann über etwas anderes geredet. Er hatte immer geglaubt, nicht mit
einem heterosexuellen Jungen befreundet sein zu können. Aber so sicher war er
sich bei Mark auch nicht. Also ging es doch nicht? Konnte er nicht einmal
jemanden nur als Freund sehen, ohne Hintergedanken? Wenn er nicht so gut
aussehen würde, wäre es kein Problem gewesen. Er seufzte.
Das Geräusch von Carls knatterigem Roller erkannte
er sofort und stürzte zum Fenster.
„ He Alter!“,
rief Carl.
„ He! Seit wann
bist du wieder da?”
„ Bin gerade angekommen und wollte
nach dir sehen.“ Carl nahm seinen Helm ab und seine grün gefärbten Haare kamen
zum Vorschein. Er strahlte ihn mit seinen gepiercten Lippen und den schwarz
umrandeten Augen an.
„ Wo warst du so lange?“, fragte
Daniel.
„ Bei Tom.“ Carl grinste noch
breiter. „Ich würde dir gern mehr erzählen, aber ...“ Er sah sich zu den
Nachbarhäusern um. Daniel konnte sich schon denken, was er damit meinte, und
lachte ebenfalls.
„ Du hast dich echt verknallt, oder?“
„ Joa. Es tut mir leid, dass du jetzt
Stress hast. Darfst du gar nicht mehr raus?“
„ Nein, noch eine Woche. Aber es war
meine Entscheidung.“ Er zuckte die Schultern.
„ Ich würde das nicht aushalten,
Mann. Ich ruf dich nachher an, ok? Ich muss jetzt zu meinen Alten. Die drehen
auch schon am Rad.“
Carl winkte ihm beim Wegfahren. Daniel schüttelte
nur den Kopf. Er hatte seinen Freund noch nie so glücklich erlebt.
Normalerweise ergingen sie sich gemeinsam in ihrem Hass auf die Schule und die
Gesellschaft und machten sich über ihre Mitschüler lustig und sagten sich, dass
die Liebe nur ein Konstrukt war. Dabei war Carl es, der es immer bestritten
hatte, dass es Liebe überhaupt gab, der behauptete, Menschen würden durch ihre
Instinkte geleitet und seien von Natur aus egoistisch. Doch anscheinend hatte
Tom es geschafft, dass er das alles mit einem Mal vergessen hatte.
Am nächsten Morgen wartete Mark wieder auf ihn, um
mit ihm zum See zu laufen. Als hätten sie das schon jahrelang gemacht. Auch die
nächsten Tage trafen sie sich jeden Morgen um acht. Daniel merkte, dass Mark
viel fitter war als er selbst, er hätte schneller laufen können, aber er passte
sich an Daniels Tempo an. Sie liefen um den See, setzten sich kurz auf eine
Bank, erzählten sich, was sie den letzten Tag gemacht hatten, meistens nicht
viel Spannendes. Manchmal erzählte Mark von schrulligen Leuten aus seinem alten
Dorf oder von Freunden, die er vermisste. Und Daniel erzählte ihm von seiner
Freundin Janina, die praktisch jede Woche einen neuen Freund hatte, von Büchern
und Filmen die er gern mochte, davon, womit seine Mutter und Mike ihn nervten,
und dass seine Schwester schon mit drei Jahren lesen konnte und alles, was ihm
sonst einfiel – nur eines nicht.
Nachdem sie dreimal die gleich Strecke gelaufen
waren, zeigte er Mark andere Wege, den zu der Disco, die eigentlich nur ein
großer Schuppen war, und den zu einem alten Herrenhaus, in dem schon lange
niemand mehr wohnte und das recht gruselig aussah. Sei Lieblingsweg war aber
der durch den Wald zu einer alten Mühle, in der man den Turm hochsteigen konnte
und eine gute Aussicht hatte. Es ließ sich alles viel besser aushalten, Daniel
konnte sich sogar dazu zwingen, zu lernen, wenn er daran dachte, dass er Mark
am nächsten
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