Marlene Suson 1
gleichgültig sei, wo Ra- chel sich aufhielt, und er versicherte es auch sich selbst. Trotzdem ertappte er sich bei der schroffen Frage: „Zu einem Plauderstünd- chen mit einem Anbeter?‚ Wieso klang seine Stimme eigentlich so verdrossen?
Eleanor lachte. „Im Gegenteil. Sie versteckt sich dort vor einem, der besonders hartnäckig ist. Lord Felix hat eine Heidenangst vor Irrgärten und würde nie einen Fuß hineinsetzen. Das Labyrinth ist der einzige Ort, an dem Rachel vor ihm sicher ist.‚
Vor mir auch, dachte Jerome grimmig. Er war weit davon ent- fernt, ihr in das Labyrinth zu folgen.
Auf keinen Fall.
Rachel saß im Labyrinth auf einer Bank, und Maxi döste zu ihren Füßen. Sie dachte an den Herzog. Je näher sie ihn kennenlernte, desto mehr faszinierte er sie. Rachel hatte davon geträumt, einem Mann wie ihm zu begegnen, doch sie hätte nie gedacht, daß er eine so sonderbare, süße Sehnsucht in ihr wecken würde.
Er war so ganz anders als Stephens Freunde, die nichts als Ver- gnügungen im Kopf hatten. Sie hatte einmal gehört, wie sie sich über Papa lustig machten, weil er sich so hingebungsvoll seinem Land und seinen Leuten widmete, und weil er seiner Frau treu war, obwohl er jede Menge anderer Frauen haben konnte. Es ehrte Stephen, daß er seinen Vater verteidigt hatte, woraufhin seine Freunde sich dann auch über ihn lustig machten.
„Tief in Gedanken, Lady Rachel?‚
Ihr Herz machte einen Satz, als sie seine Stimme hörte, und
ihre Wangen färbten sich rosig. „Ich bin hergekommen, weil es hier so schön still ist‚, sagte sie verlegen.
Die Ankunft des Herzogs hatte Maxi geweckt. Er erinnerte sich seiner Beschützerpflichten und baute sich laut bellend und knurrend vor dem Störenfried auf.
Belustigt hob Jerome eine Braue und fixierte den aufgebrach- ten kleinen Hund zu seinen Füßen.
„Nun ja, es war schön still‚, räumte Rachel ein.
Der Herzog grinste ihr übermütig zu, und ihr Herz schlug schneller. „Und zudem sehr abgeschieden. Keine Chance, daß Lord Felix hier auftaucht, nicht war?‚
„Ist es so offensichtlich?‚ platzte sie erschrocken heraus.
„Für jeden außer ihm selbst. Er ist so von sich überzeugt, daß nichts und niemand ihn irremachen kann.‚
Maxi, dem es nicht gelungen war, seinen herzoglichen Wider- sacher in die Flucht zu schlagen, begann wild knurrend dessen Stiefel zu attackieren.
Rachel mußte daran denken, wie wütend der Hund den Herzog gestern am Fluß gemacht hatte, und fürchtete einen neuen Zor- nesausbruch. Zu ihrer Überraschung jedoch beugte er sich nie- der, zauste gutmütig Maxis silbriges Fell und kraulte ihn hinter den Ohren.
Als Rachel sah, wie seine Hand Maxi verwöhnte, spürte sie ei- nen Anflug von Neid in sich aufsteigen.
Jerome richtete sich wieder auf und fragte: „Darf ich mich zu Ihnen setzen?‚
„Gern, wenn Sie möchten‚, gab Rachel erfreut zurück.
Sie rückte beiseite, um ihm auf der schmalen Bank Platz zu machen. Er setzte sich. Sein Schenkel berührte ihren, und es durchfuhr sie heiß.
Maxi war sichtlich enttäuscht, die Aufmerksamkeit des Her- zogs verloren zu haben. Auffordernd sprang er an ihm hoch, wo- bei seine staubigen Pfoten deutliche Spuren an der makellosen hellbraunen Hose Seiner Gnaden hinterließen.
Auch jetzt schalt der Herzog den Hund nicht, wie Rachel er- wartet hatte. Er hob Maxi hoch, setzte ihn sich auf den Schoß und streichelte ihn.
Diese unerwartet liebevolle Reaktion überraschte Rachel. „Jetzt haben Sie einen ergebenen Freund fürs Leben gewonnen‚, sagte sie lächelnd.
Er erwiderte ihr Lächeln, wurde dann jedoch ernst. „Ich habe
gehört, daß sie eine Zeitlang Wingate Hall für Ihren Bruder ge- leitet haben.‚
„Ja, und davor für meinen Vater, als er zu krank war, um es selbst zu tun.‚
Der Herzog sah sie so ungläubig an, daß Rachel fortfuhr: „Über- rascht es Sie, daß mein Vater seinen Besitz den Händen eines jungen Mädchens überließ? Sie müssen verstehen, ich war das einzige seiner Kinder, das sich wirklich für die Landwirtschaft und die Verwaltung des Gutes interessierte.‚
Wie stolz war sie gewesen, als Stephen damals sein Londoner Leben nicht aufgeben wollte und sie nach dem Tod ihres Vater gebeten hatte, die Wirtschaft weiter zu führen, „Du machst das viel besser, als ich es je könnte‚, hatte er mit seinem spitzbübi- schen Lächeln gesagt. „Keiner weiß das so gut wie ich. Wenn du die Sache übernimmst, wird alle Welt zufrieden sein.‚
Vor
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