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Marlene Suson 1

Marlene Suson 1

Titel: Marlene Suson 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Mitternachts-Braut
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sie nervös den Flur entlangschaute, damit sie auch niemand sah.
    Rachel war sofort im Bilde. Nachdem Tante Sophia ihre Heiltä- tigkeit verboten hatte, liefen die Nachrichten über einen Krank- heitsfall jetzt immer über die Köchin, die dabei allerdings ihre Stellung riskierte.
    Rachel schlüpfte über die Hintertreppe hinunter. Die Köchin, eine rundliche grauhaarige Frau, wartete am Fuß der Treppe mit einem der Pächter von Wingate Hall. Sam Prentice war ein stäm- miger kraushaariger Mann Anfang Dreißig.
    Mit einem gehetzten Blick in seinen stahlgrauen Augen sagte er: „S’is mein kleiner Sammy. Hab Angst, daß er’s nich’ bis morgen früh macht, wenn Sie nich’ helf’n, M’lady.‚
    „Ich komme sofort. Ich ziehe mich nur rasch um und hole meine Tasche. Benjy soll inzwischen meine Stute satteln.‚ Benjy war ein Stallbursche, der Rachel treu ergeben war, und auf den sie sich voll und ganz verlassen konnte.
    Sie lief die Treppe hinauf, und als sie kaum zehn Minuten später wieder herunterkam, trug sie das unauffällige braune Reitkleid und hatte ihre Ledertasche dabei.
    Prentice wartete vor dem Stall mit ihrer Stute und seinem Pferd. Sie saßen auf und ritten langsam und vorsichtig, bis sie außer Hörweite des Hauses waren. Dann spornte Prentice seinen Gaul zum Galopp an, und Rachel folgte seinem Beispiel. Sie verlang- samten ihr Tempo erst, als Prentice von der Straße in einen so schmalen Pfad einbog, daß sie nur hintereinander reiten konn- ten. Der Weg wand sich durch ein Buchenwäldchen, das an einer ziemlich entlegenen Stelle des Wingate-Besitzes lag.
    Rachel wunderte sich, daß sie diesen Weg nahmen, und ein banges Gefühl beschlich sie. Doch sie war kein Angsthase, und so beruhigte sie sich damit, daß Sam vermutlich eine Abkürzung be- nutzte, um sie noch schneller zu seinem kleinen Sohn zu bringen.
    Sie erreichten ein Gebäude, das so versteckt zwischen den Bäu- men lag, daß Rachel es erst entdeckte, als sie schon vor der Tür standen. Sam zügelte sein Pferd und glitt sofort aus dem Sattel. Dies war nicht die bescheidene Hütte eines Pächters, sondern ein ansehnlicher Schieferbau mit großen Fenstern, wie das Ka- valiershaus eines Gentleman.

8. KAPITEL
    „Weshalb sind wir hier?‚ fragte Rachel verdutzt. „Hier wohnen Sie doch nicht, oder? Und der kleine Sammy kann auch nicht hier sein.‚
    „Nein, M’lady, aber ich bitt’ halt sehr, daß Sie dem armen Kerl da drin helf’n. S’ gibt wahrhaftig kein’n unter Gottes Himmel, der’s mehr verdient.‚
    Sam Prentice blickte Rachel so flehend an, daß ihre Sorge ver- flog. Er war ein rechtschaffener Mann, und Rachel vertraute ihm.
    Verwirrt folgte sie ihm ins Haus. Erst jetzt kam ihr zum Be- wußtsein, daß dies das Kavaliershaus war, das ihr Großvater für seine Gespielinnen gebaut hatte.
    Nach Großvaters Tod hatte ihr Vater es schließen lassen. Ra- chel hatte geglaubt, daß es seitdem nicht mehr betreten worden wäre, doch jetzt stellte sie fest, daß es eindeutig bewohnt wurde. Von wem?
    Sie war zum erstenmal hier und sah sich neugierig um. Links vom Eingang lag ein geschmackvoll möblierter Salon, und rechts eine Küche mit einem großen Tisch in der Mitte.
    Der hintere Teil des Hauses bestand aus einem geräumigen Schlafzimmer mit einem großen, kunstvoll geschnitzten Himmel- bett, einer bequemen Sitzgruppe und einem Kleiderschrank in der Ecke.
    In dem gemauerten Kamin an der gegenüberliegenden Wand brannte ein kleines Feuer. Darüber hing ein bauchiger Wasser- kessel, was Rachel mit Befriedigung zur Kenntnis nahm. Ihre Mutter hatte – im Gegensatz zur landläufigen Meinung – sehr auf Reinlichkeit gehalten und immer darauf bestanden, daß Sauber- keit eines der besten Heilmittel sei.
    Als Rachel nach dem Tod ihrer Mutter ihre Heiltätigkeit fort- setzte, befahl sie den Leuten stets, einen Wasserkessel aufs Feuer zu stellen, bevor sie sie holten. Dann war das Wasser heiß, wenn sie eintraf. Inzwischen konnte sie sich darauf verlas-

sen, stets heißes Wasser vorzufinden, wenn sie in eine Pächter- hütte kam.
    Im Schein eines dreiarmigen Leuchters, der auf dem Nachttisch stand, erkannte sie auf der Bettstatt einen zugedeckten Körper. Sie trat zum Bett, um ihren geheimnisvollen Patienten in Augen- schein zu nehmen.
    Es war ein erwachsener, auffallend gutaussehender Mann, der jetzt allerdings eine häßliche Schmarre an der Schläfe hatte. Das dichte rotbraune Haar klebte ihm feucht am Kopf, und sein Ge- sicht war

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