Marlene Suson 2
meinst wohl, in der Hölle. Die beiden sind wie füreinander gemacht. Ehrlich, Schwager, ich hätte es ver- standen, wenn du nur deshalb in der Versenkung verschwunden wärst, um dich vor einer Ehe mit diesem Weibsbild zu drücken. Ich glaube, ich hätte es getan.“
Schwager! Er war nun wirklich und wahrhaftig mit dem Mann verwandt, den er wegen seiner eisigen Überheblichkeit immer ein wenig gefürchtet hatte.
„Ich sehe schon, du hast Fanny durchschaut und bist nicht auf ihr Getue hereingefallen. Ich wünschte, ich wäre ebenso schlau gewesen, bevor ich ihr den Antrag machte.“ Ein spitz- bübisches Grinsen flog über sein Gesicht. „Apropos Antrag, ich hätte nie gedacht, daß Seine Gnaden, der Duke of Westleigh, sich herablassen könnte, um eine Frau anzuhalten.“
Rachels melodisches Lachen perlte auf. „Oh, das hat er ja gar nicht.“
„Habe ich doch!“ widersprach ihr Mann. „Letztendlich.“
Die beiden tauschten einen Blick, und die stumme Zwiespra- che zeugte von einer so innigen Liebe, daß Stephen sich für seine Schwester freute. Zwischen ihr und Jerome herrschte offenbar die gleiche Harmonie, die auch die Ehe seiner Eltern bestimmt hatte.
Und diese Harmonie wünschte er sich auch für sich und Megan.
Rachel griff nach dem Kerzenhalter. „Kommt, gehen wir doch in den Salon.“ Sie ging den anderen voran in einen behaglich eingerichteten Raum und forderte Megan auf, sich auf das Sofa zu setzen. Stephen nahm neben ihr Platz und umschloß ihre Hand mit seiner.
Fragend sah er den Herzog an. „Eins verstehe ich immer noch nicht, Jerome. Weshalb bringst du meine Schwester ins Kavaliershaus, um hier mit ihr zu schlafen?“
Wieder tauschten Herzog und Herzogin einen Blick, in dem so viel erotisches Knistern lag, daß Stephen beinahe errötete.
„Dieses Haus hat eine ganz besondere Bedeutung für uns“, sagte Jerome. „Deine Schwester hat mich seinerzeit entführt, in dieses Haus gebracht und hier auf höchst heimtückische Weise ausgetrickst.“
„Das glaube ich nie und nimmer!“ erklärte Stephen rundher- aus. „Ich kenne meine Schwester.“
Wieder lachte Rachel. „Nicht, wenn ich verliebt bin.“
Ihr Mann stimmte in ihr Lachen ein. „O ja, es ist schon er- staunlich, was eine verliebte Rachel auf die Beine stellen kann. Ich segne den Tag, an dem ich nach Yorkshire kam.“
„Im Wirtshaus habe ich gehört, daß du wegen eines Straßen- räubers mit Namen Gentleman Jack hergekommen bist.“ Ste- phen konnte sich nicht verkneifen, mit einem boshaften Grinsen hinzuzufügen: „Die Kneipengäste hielten dich für das Nächst- beste nach diesem Galgenvogel.“
„Das kommt daher, daß sie diesen ,Galgenvogel’ genauso ins Herz geschlossen haben wie ich“, antwortete Jerome lachend.
In Rachels tiefblauen Augen blitzte es schalkhaft. „Gentleman Jack war ein moderner Robin Hood, weißt du?“
„War? Ist er tot?“
„Hat sich aufs Altenteil zurückgezogen“, erklärte Jerome mit fester Stimme.
Aus dem Zimmer am Ende des Flurs drang das Weinen ei- nes Kindes. Rachel eilte hinaus und erschien einen Augenblick später mit einem molligen Baby auf dem Arm, das verschlafen blinzelte.
Sie lächelte ihrem Bruder zu. „Darf ich dir deinen Neffen und Namensvetter vorstellen? Dies ist Stephen Morgan Parnell.“
Überrascht musterte Stephen das herzhaft gähnende Kind,
das keinerlei Interesse an seinem Onkel zeigte. „Meine kleine Schwester ist schon Mama?“ Stephens Augen wurden feucht. „Was habe ich alles versäumt!“
„Aber jetzt bist du wieder da“, sagte Rachel mit einem liebevollen Lächeln. „Das ist die Hauptsache.“
Stephen sah Megan an. Sie betrachtete das Baby mit einem verträumten Blick, und er wußte, woran sie dachte: Wie es wohl sein mochte, ihr eigenes Kind im Arm zu halten.
Ihr gemeinsames Kind!
Es überraschte Stephen, wie sehr er sich das auch wünschte.
Als der kleine Stephen seinen Vater erblickte, streckte er seine pummeligen Ärmchen nach ihm aus. Jerome nahm ihn seiner Mutter ab, und der Kleine gluckste zufrieden.
„Es ehrt mich, daß du den nächsten Duke of Westleigh nach mir benannt hast, Rachel“, sagte Stephen. „Aber ich bin er- staunt, daß dein Gemahl es erlaubt hat. Ich weiß ja, was er von mir hielt.“
Um Jeromes Mundwinkel zuckte es. „Ich kann damit leben. Wenn ich es mir recht überlege, gefällt mir der Gedanke von Minute zu Minute besser.“
„Ist es wahr, daß Wingate Hall noch immer mir gehört?“
„Natürlich. Ich
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