Marlene Suson 2
angewor’m hat, wollte doch, dasser schön langsam un’ elendich eingeht. Er soll doch was davon ha’m, bisser ins Gras beißt. Stephen runzelte die Stirn. „Aber die Strolche, die mich an die Preßpatrouille verhökert haben, sprachen davon, daß ein Mann sie angeheuert hat.“
„Das war Sophias Bruder. Er hat es auf ihre Order hin getan.“
„Verdammt! Ich wußte, daß sie mich haßte, weil ich versucht habe, Alfred diese Ehe auszureden. Aber ist das wirklich Grund genug, mir so etwas anzutun?“
„Natürlich nicht, aber sie war krank im Kopf.“ Jerome schüt- telte sich. „Und teuflisch schlau. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich dahinterkam, wie schlau sie war.“
„O mein Gott!“ Stephen konnte kaum glauben, was er hörte. Megan nahm seine Hand und drückte sie aufmunternd und trö- stend. „Und als ihr dann klar wurde, daß du sie durchschaut hast und sie entlarven würdest, hat sie sich umgebracht?“
„Nein. Sie ist zwar von eigener Hand gestorben, doch Selbst- mord war es nicht.“ Rachels Stimme zitterte. „Als Jerome sie mit den Beweisen konfrontierte, versuchte sie, ihn mit einem ver- gifteten Dolch umzubringen. Sie rangen miteinander, und dabei hat sie sich selbst einen Kratzer mit der vergifteten Dolchspitze beigebracht.“
Stephen war so schockiert von diesen Enthüllungen, daß ihm die Worte fehlten. Sophia also verdankte er diese Hölle, durch die er hatte gehen müssen! Und dabei hatte er George im Verdacht gehabt. Schmerzlich kam ihm zum Bewußtsein, welch bitteres Unrecht er seinem Bruder getan hatte.
Er mußte daran denken, wie sein Haß auf den unbekannten Feind und sein Rachedurst ihn vorangetrieben hatten, wenn es leichter gewesen wäre, einfach aufzugeben. „Was mir auch in den schlimmsten Momenten geholfen hat, die Sache durchzustehen, war meine wilde Entschlossenheit, irgendwann nach England zu- rückzukehren und dieses Stinktier zur Rechenschaft zu ziehen.“
„Bedauerst du es, daß du dafür zu spät gekommen bist?“ fragte Jerome.
Stephen überlegte einen Moment und sagte dann langsam: „Ich bin schon ein bißchen enttäuscht, daß ich mich nicht mehr selbst rächen kann. Doch andererseits bin ich unsagbar erleich- tert darüber, daß mein Bruder unschuldig ist. Ich fühle mich ganz schrecklich, weil ich ihn verdächtigt habe.“
Er verstummte bedrückt. Sein Blick fiel auf seinen kleinen Neffen, der in Jeromes Armen eingeschlummert war. Stephen sehnte den Tag herbei, an dem er seinen eigenen Sohn in den Armen halten würde. Er freute sich schon auf die Familie, die sie auf Wingate Hall gründen würden, und die Schrecken der Vergangenheit verblaßten.
Viel zu lange hatte Stephen die Ansichten seiner vergnügungs- süchtigen Freunde darüber, was ihn glücklich machte, geteilt. Jetzt wußte er, wie sehr sie sich geirrt hatten. Jeder mußte selbst herausfinden, was ihn glücklich machte. Diese Entscheidung konnte niemand für einen anderen fällen.
Und das Leben spielte sich auch nicht in der Vergangenheit ab, nicht im Bedauern von verpaßten Chancen und in Rachege- lüsten für das Unrecht, das er erleiden mußte. Es war viel besser, die Gegenwart bis zur Neige auszukosten und die Zukunft so zu gestalten, wie er sie sich erträumte.
Und genau das würde Stephen von heute an tun.
Er lächelte befreit und sagte aus tiefster Überzeugung: „Ich bin froh, daß Sophia tot ist und uns nichts mehr anhaben kann. Jetzt wünsche ich mir nur noch, die ganze Vergangenheit zu vergessen.“
25. KAPITEL
Noch nie hatte Meg ihren Mann in einer solchen Hochstimmung erlebt.
Es war schon spät am Abend, und sie hatten sich in das hoch- herrschaftliche Schlafzimmer auf Wingate Hall zurückgezogen.
Die letzten zwei Stunden waren wie im Traum an Meg vor- übergegangen, übermüdet und erschöpft, wie sie war. Zunächst einmal hatte Jerome das Kavaliershaus verlassen und sich zum Herrenhaus begeben. Kurz darauf war er in Begleitung eines Reitknechts namens Ferris zurückgekommen. Dieser Ferris, der offenbar ein fast freundschaftliches Verhältnis zum Herzog hatte, führte zwei weitere Pferde am Zügel, die für Meg und Stephen vorgesehen waren.
Als sie dann alle zum Herrenhaus hinüberritten, wartete schon ein von Jerome bestelltes spätes Abendessen auf die hungrigen Reisenden. Meg war völlig ausgehungert, als sie sich zu Tisch setzte, doch die Lakaien, die sie beim Essen bedienten, verdarben ihr den Appetit. Ihre bestürzten, mißbilligenden Blicke verrieten Meg,
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