Marlene Suson 3
herüber und hielt ihr die Rolle unter die Nase. „Wie können Sie ableugnen, diese Erklärung unterschrieben zu haben? Konstabler Hendricks und ich können es doch bezeugen. Ist es nicht so, Konstabler?“
Hendricks, der unverwandt auf einen Fleck am Boden neben seinem linken Fuß starrte, murmelte: „Ja.“
„Ich habe nichts unterschrieben, und das wissen Sie alle beide!“ rief Daniela empört. „Was fällt Ihnen ein, etwas so Ungeheuerliches zu behaupten?“
Yarwood streckte die Hand nach der Rolle aus. „Zeigen Sie mir die Erklärung.“
Polk reichte sie ihm. Yarwood knüpfte das Band auf, entrollte das Papier und betrachtete es eingehend. Dann rollte er es mit grimmigem Gesicht wieder zusammen.
„Wollen Sie es denn nicht mit Lady Danielas Schriftprobe vergleichen?“ fragte Jerome.
„Nicht nötig.“ Yarwood rollte das Papier noch einmal auf und hielt es hoch. „Wie Sie selbst sehen können, stimmt die
Handschrift mit Lady Danielas Schriftprobe absolut nicht über- ein.“
Daniela schaute auf das „Dokument“. Die krakeligen, unge- lenken Buchstaben unterschieden sich grundlegend von ihrer Handschrift.
„Das ist doch kein Wunder“, giftete Squire Polk. „Die Person war so schlau, die Schriftprobe in einer ganz anderen Hand- schrift zu schreiben, als sie sonst hat. Damit wollte sie Sie täuschen.“
Yarwood maß ihn mit einem eisigen Blick. „Wer immer diese Erklärung gefälscht hat – und ich halte Sie für den Schuldigen –, hat noch nicht einmal ihren Namen richtig geschrieben.“
Daniela schaute auf „ihre“ Unterschrift. Da stand ,Daniella’ mit zwei großen, sorgfältig hingemalten 1. Tiefe Erleichterung durchflutete sie.
Polk sah aus, als hätte man ihm einen Tritt versetzt, wo es besonders weh tat. Er sackte völlig in sich zusammen.
Lindsey stand in der Gefängnistür, und Yarwood sagte zu ihm: „Lassen Sie Lord Morgan augenblicklich frei.“
„Sofort, Sir.“ Lindsey drehte sich um, den Schlüssel in der Hand und ein kaum merkliches Grinsen auf den Lippen, und lief zu der Zelle.
Einen Augenblick später hörte man Morgans ungehaltene Stimme. „Was, zum Teufel, tun Sie da? Warum schließen Sie meine Zelle auf? Hölle und Teufel, was hat diese Frau Ihnen er- zählt? Was immer sie von sich gibt, sie lügt, wenn sie den Mund aufmacht.“
Daniela wollte zum Gefängnis laufen, doch Jerome erwischte sie gerade noch am Arm und zog sie zu seiner Reisekutsche. „Kommen Sie, Lady Daniela, ich helfe Ihnen und Rachel in die Kutsche.“
„Ich muß mit Morgan reden“, rief sie und versuchte sich von dem Herzog loszumachen. „Er glaubt, daß ich ihn verraten habe, und das habe ich doch nicht.“
Jerome ließ sie nicht los. „Sie dürfen da jetzt nicht hineingehen, Daniela.“
Man hörte deutlich, wie Morgan mit seinen Handeisen gegen die Gitterstäbe schlug.
„Komm rein, Jerome!“ Morgans Stimme übertönte sogar den Lärm, den er mit den Handeisen machte. „Ich muß mit dir reden!“
Das Gesicht des Herzogs war ernst und düster. „Glauben Sie
mir, Daniela, ich kenne meinen Bruder besser, als irgend jemand sonst. Sie sind gut beraten, wenn Sie nicht in seine Nähe kommen, solange er in einem solchen Zustand ist.“
„Aber ...“
„Jerome hat recht“, fiel Rachel Daniela ins Wort. „Hören Sie auf ihn. Mit Morgan kann man jetzt im Moment nicht reden.“
„Lassen Sie mir ein bißchen Zeit, damit ich ihn beruhigen und ihm beibringen kann, daß Sie ihn nicht verraten haben“, bat Jerome. „Ich verspreche Ihnen, wenn wir nach Royal Elms zu- rückkommen, wird er sich für sein jetziges Benehmen bei Ihnen entschuldigen.“
Daniela war so glücklich gewesen, als Yarwood Morgans Frei- lassung befahl, doch jetzt wurde ihr Herz wieder schwer. „Und wenn Sie ihn nicht von meiner Unschuld überzeugen können?“
„Ich verspreche, nicht von Morgans Seite zu weichen, bis ich ihn davon überzeugt habe“, gab Jerome zurück. „Kommen Sie jetzt.“
Daniela schluckte schwer und folgte dem Herzog zu seiner Kutsche. Er half ihr und Rachel hinein, und Mr. Yarwood folgte ihnen.
„Der Kutscher bringt euch nach Royal Elms“, sagte Jerome. „Stephen, Ferris und ich kommen mit Morgan nach.“
Als die Karosse anfuhr, biß Daniela sich auf die Lippen, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Hoffentlich gelang es Jerome, Morgan davon zu überzeugen, daß sie ihn nicht verraten hatte.
Daniela stand am Fenster des Salons und sah zu, wie die Sonne langsam am Horizont
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