Marlene Suson 3
Hatte er Stephens Geschichte nicht geglaubt? Stephen hatte ihm nämlich erzählt, daß Morgan auf dem Heimweg von Warwickshire ergriffen worden sei, wo er sich in geheimer Mission für den König aufgehalten hatte.
Außer sich vor Angst und Sorge trat Daniela auf Mr. Yarwood zu. „Ich schwöre Ihnen, Mr. Yarwood, daß ich niemals ein solches Dokument unterschrieben habe, wie Squire Polk behauptet. Sie müssen mir glauben, Sir.“
„Nachdem ich Squire Polk kennengelernt habe, neige ich sehr dazu, Ihnen zu glauben“, sagte er. „Ich werde Sie und den Herzog nach Tappenham begleiten, doch bevor wir aufbre- chen, möchte ich Sie bitten, mir eine Schriftprobe zu überlas- sen.“
Daniela nickte. „Ja, gern.“
„Kommen Sie in die Bibliothek“, sagte Jerome. „Dort habe ich Papier und Feder.“
Er führte Daniela an seinen großen Schreibtisch und legte ein leeres Blatt Papier vor sie hin. Sie setzte sich, und Yarwood sagte: „Schreiben Sie ein paar Worte, was immer Sie wollen, und unterschreiben Sie mit Ihrem Namen.“
Daniela nahm eine Feder, tauchte sie in das silberne Tin- tenfaß und schrieb ohne zu zögern in ihrer großzügigen, leicht eckigen Handschrift: „Ich schwöre bei Gott, daß ich niemals ge- sagt oder zu Papier gebracht habe, Lord Morgan Parnell sei der Straßenräuber Gentleman Jack.“
Sie unterschrieb mit ihrem Namen und reichte Yarwood das Blatt.
Zwanzig Minuten später saßen Daniela, Mr. Yarwood und Ra- chel, die darauf bestanden hatte, sie zu begleiten, in der Rei- sekutsche des Herzogs, die sich nach Tappenham in Bewegung setzte. Jerome, Stephen und Ferris begleiteten die Kutsche zu Pferde.
Kaum hatte die Karosse vor dem Gefängnis angehalten, als Daniela auch schon heraussprang und in das Gebäude hastete. Sie mußte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, daß Morgan noch am Leben war. Jerome folgte ihr auf dem Fuße.
Squire Polk saß zerzaust, unrasiert und übelriechender denn je mit Hendricks und Lindsey am Tisch. Das irre Glitzern, das Daniela schon am Vortag in Angst und Schrecken versetzt hatte, flackerte noch immer in Polks Augen.
Ihr Blick glitt zu ihrer früheren Zelle, und sie bemerkte die Überraschung in Morgans Gesicht, als er sie sah. In seinen Augen entdeckte sie einen Ausdruck, den sie nicht deuten konnte.
Obwohl seine Fesseln ihn hinderten, sprang Morgan auf und stieß mit dem Kopf an die niedrige Decke. Nun konnte Daniela ihn besser sehen, und nun hatte sie auch keine Zweifel mehr über den Ausdruck in seinen Augen.
Es war rasender Zorn.
Erschrocken trat Daniela einen Schritt zurück. Ganz offen- sichtlich glaubte Morgan noch immer, daß sie ihn verraten hatte.
Und er sah aus, als würde er ihr bis ans Ende seines Lebens nicht verzeihen.
„Verdammt noch mal, Jerome, schaff sie hier raus!“ donnerte Morgan. „Ich will sie nicht sehen. Warum, zum Teufel, hast du sie hergebracht? Weißt du eigentlich, was ...“
„Morgan!“ schnitt Jerome ihm scharf das Wort ab. „Halt den Mund!“
„Nein, verflucht! Nicht, bevor du sie hier rausschaffst.“ Der Gefangene schlug mit den eisernen Handfesseln gegen die Git- terstäbe. Das machte einen so infernalischen Lärm, daß man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.
Danielas Herz wurde schwer wie Blei. Er haßt mich.
Jerome umfaßte ihre Oberarme und schob sie zur Gefängnis- tür. Daniela war so niedergeschmettert, daß sie es ohne Protest geschehen ließ.
Draußen ergriff Rachel Danielas Hand. „Was ist passiert? Ich habe Morgan noch nie so brüllen hören.“
„Er ... er ...“ Danielas Stimme brach. Sie konnte kein Wort mehr herausbringen.
Es dauerte noch einen Augenblick, bis das Getöse im Gefäng- nis sich legte. Dann hörten sie Mr. Yarwoods Stimme durch das offene Fenster. „Haben Sie den Verstand verloren, Polk? Was soll das bedeuten, daß Sie Lord Morgan unter dem Vorwand einsperren, er sei Gentleman Jack?“
„Er ist es doch!“ kreischte der Friedensrichter. „Seine ei- gene Verlobte hat es unterschrieben und beeidet. Ich habe das Dokument hier.“
„Holen Sie es heraus, und kommen Sie mit“, befahl Yarwood.
Der Agent kam aus dem Gefängnis, gefolgt von Hendricks und Polk, der ein aufgerolltes, mit einem roten Band zusammenge- bundenes Blatt Papier in seiner fleischigen Hand hielt.
Als sie bei Daniela, Jerome und Rachel ankamen, sagte Yar- wood ruhig: „Lady Daniela behauptet, ein solches Dokument nie unterzeichnet zu haben.“
Der Squire schoß einen giftigen Blick zu Daniela
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