Marlene Suson 3
hosen bekleidet war. Das klaffende Loch in der Rückseite seines Schädels wies darauf hin, daß man Walter Briggs von hinten niedergeschlagen hatte.
„Kein Zweifel möglich“, gab Morgan zurück und schaute auf die goldene Uhr in seiner Hand, die er aus der Tasche des To- ten gezogen hatte. „Sein abgebrochener Schneidezahn und die Kleidung entsprechen genau Danielas Beschreibung, und dies ist seine Uhr.“
Morgan ließ den Deckel aufspringen und zeigte Jerome die Gravierung auf der Innenseite: „W. Briggs“.
Morgan ließ den Deckel wieder zuschnappen. Was für ein ab- scheuliches Verbrechen! Da war ein guter, aufrechter Ehemann und Vater zweier Kinder kaltblütig ermordet worden. Obwohl der Leichenfund Morgans Theorie bestätigt hatte, wäre es ihm hundertmal lieber gewesen, er hätte der Familie einen lebenden Walter Briggs zurückgeben können.
Das einzige, was Morgan jetzt noch für den Mann tun konnte, war, das Geheimnis seines Todes zu lüften und seinen guten Namen wiederherzustellen. Und Gott war sein Zeuge, er würde Briggs’ Mörder vor Gericht bringen.
„Ich hole jetzt den Friedensrichter“, sagte er grimmig.
Als Daniela und Stephen am Abend bei den Flemings eintra- fen, umarmte Charlotte die Freundin herzlich. „Ich bin ja so froh, dich endlich wiederzusehen, obwohl ich dich eigentlich erst morgen abend erwartet habe.“
„Wieso hast du mich überhaupt erwartet?“ fragte Daniela erstaunt.
„Lord Morgan schickte mir eine Nachricht, daß Lord Arling- ton dich herbringt.“ Charlotte lächelte Stephen zu. „Das müssen Sie sein. Herzlich willkommen bei uns.“
Stephen verbeugte und bedankte sich.
Dann wandte Charlotte sich wieder Daniela zu. „Ich habe mich furchtbar geängstigt, als du so plötzlich von Greenmont verschwunden warst. Tagelang wußte ich nicht, was aus dir geworden ist. Ich hatte Angst, du könntest tot sein.“
„Wer ist denn da, Liebes?“ rief ihr Mann aus dem ersten Stock. Einen Augenblick später erschien er selbst oben an der Treppe.
Daniela sah überrascht, daß George noch in Reitkleidung war. Um diese Zeit hätte er sich längst zum Dinner umziehen müs- sen. Bei Danielas Anblick wirkte er überrascht und nicht im mindesten erfreut.
„Was machen Sie denn hier?“ platzte er nicht gerade gast- freundlich heraus.
Bestürzt sah Daniela ihn an. Wenn die Flemings sie auch nicht bei sich haben wollten, wo sollte sie dann hin? „Ich ... ich hatte gehofft, ein Weilchen bei Ihnen bleiben zu können. Aber ich kann sofort wieder gehen, wenn ich nicht ...“
„Sei nicht dumm“, fiel Charlotte ihr ins Wort. „Wir sind entzückt über deinen Besuch.“
Ihr Mann wirkte alles andere als entzückt.
Der Klopfer an der Haustür dröhnte laut, und ein Diener ging hin, um zu öffnen.
Ein großer Mann erschien in der Eingangshalle. Er trug ele- gante Reitkleidung, die über und über mit Schmutz bespritzt war. Seine Schultern waren breit und muskulös. Rotbraunes Haar umrahmte ein Gesicht, das Daniela über alles in der Welt liebte und das sie nie wiederzusehen gefürchtet hatte.
Morgan! Danielas Herz machte einen Satz. Sie war so glück- lich, ihn zu sehen, daß sie sich am liebsten in seine Arme gestürzt hätte. Sie sehnte sich so sehr danach, an seiner Brust zu liegen und die Nähe seines Körpers zu spüren.
Völlig entgeistert starrte er sie an. Dann wurde sein Gesicht
so hart, daß Daniela fröstelte. „Was, zum Teufel, tust du hier, Daniela?“
Sie schloß die Augen, um Schmerz und Verzweiflung vor ihm zu verbergen. Er sollte nicht sehen, wie tief seine schroffe Frage sie verletzt hatte. „Das gleiche könnte ich dich fragen“, gab sie schnippisch zurück, obwohl ihr gar nicht danach zumute war. „Warum bist du nach Warwickshire gekommen?“
„George weiß, warum.“ Morgan schaute zu Fleming hinüber, der gerade die Treppe herunterkam. „Sind Sie bereit?“
„Ja.“ Georges Gesicht war ernst und verschlossen, und er mied Danielas Blick.
„Gut.“ Dann durchbohrte Morgan Stephen mit einem zorni- gen Blick. „Du solltest doch erst morgen abend mit Daniela herkommen. Bis dahin wäre ich ... ach, was soll’s!“
Daniela wußte genau, wie Morgans Satz enden sollte: Bis dahin wäre ich längst über alle Berge gewesen und brauchte Daniela nicht mehr zu begegnen.
„Du solltest besser auch mitkommen“, sagte Morgan zu Ste- phen.
Die drei Männer wollten zur Tür, doch mit ein paar raschen Schritten kam Daniela ihnen zuvor und baute sich vor der
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