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Marlon, die Nummer 10

Marlon, die Nummer 10

Titel: Marlon, die Nummer 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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Hauswänden aufflammten. Nein, ganz im Gegenteil: Raban nahm mit jedem Schritt an Masse und Wichtigkeit zu, und als er den Klingelknopf drückte, wirkte er wie die rotgelockte Kopie des Bayer-Leverkusen -Managers. Verflixt! Und genauso wichtig und schwer ließ er den Klingelknopf erst dann wieder los, als sich die Tür endlich öffnete.
    „Guten Morgen!“, begrüßte er den Mann im Morgenmantel. „Ich weiß, wie früh es ist. Aber wir haben einen Termin.“

    Er schaute den Bayern -Doc erwartungsvoll an, doch der rührte sich nicht von der Stelle. Er fixierte den Jungen mit der Coca-Cola-Glas-Brille und dann nahm er einen nach dem anderen von uns ins Visier. Vanessa trug immer noch die Krankenschwesterhaube auf dem Kopf. Maxi strich sich durch sein grau gefärbtes Haar und Felix zupfte nervös an seinem Spitzbart herum, der ihm auf die Wange gerutscht war. Der Bayern -Doc runzelte die Stirn. Er runzelte die Stirn wie einer, dem man einen Bären aufbinden will. „Ihr und einen Termin! Dass ich nicht lache!“, dachte er sich. Ja, das musste er denken, denn jetzt sah er mich: den Jungen im Pippi-Langstrumpf-Kostüm. Ich rutschte immer tiefer in den Beiwagen von Julis Fahrradgespann. Jetzt gleich würden wir unseren Tritt bekommen. Jetzt gleich würden wir weggejagt werden. Ich sah mich schon wieder im Krankenhaus liegen. Da startete Raban einen zweiten Versuch.
    „Entschuldigung. Aber wir sind die Wilden Fußballkerle !“, erklärte er dem Mann in der Tür. „Wir haben uns nur ein bisschen verkleidet.“
    „Ach, was du nicht sagst!“, lachte der Bayern -Doc. „Und warum soll ich dir das bitte schön glauben?“
    „Wie bitte?“, empörte sich Raban. „Ist das Ihr Ernst? Wir haben Marlon aus dem Krankenhaus rausgeholt und wir sind der Schrecklichen Berta entwischt. Verflixte Hühnerkacke! Soll ich Ihnen noch mehr erzählen?“
    Er blitzte den Bayern -Doc an, doch der schüttelte lachend den Kopf.
    „Nein, danke, das reicht!“, sagte er und trat aus der Tür. „Dann kommt mal alle herein!“
    Ja, und dazu, das sage ich euch, musste er uns kein zweites Mal einladen. Wir rannten ins Haus und in seine Praxis hinein. Dort sprang ich sofort auf die Liege. Ich konnte es kaum noch erwarten, dass er mit seiner Untersuchung begann. Den anderen Wilden Fußballkerle n ging es genauso. Ihre Blicke hingen am Bildschirm des Ultraschallgeräts, als würde dort eine Fußball-Weltmeisterschaft übertragen.
    „Jetzt wird alles wieder gut!“, flüsterte Raban, der Held, während der Bayern -Doc mein Knie untersuchte.
    „Worauf du Gift nehmen kannst!“, grinste mein Bruder und bekam im selben Moment einen Schreck.
    „Hey, Marlon, was ist?“, fragte er. „Was ist mit dir los?“
    Ich war kreidebleich. Ich zitterte. Ich hatte urplötzlich Angst. Mir fiel etwas ein, an das keiner von uns denken wollte.
    „Hey, Marlon!“, rief Leon. „Jetzt sag doch was.“
    Doch das war gar nicht so leicht. Ich schluckte und würgte und dann bekam ich es endlich heraus.
    „Was ist, wenn der Chefarzt im Krankenhaus doch Recht gehabt hat?“, flüsterte ich und in diesem Moment war es still.
    Das einzige Geräusch war das Gleiten und Glitschen der Ultraschallsonde über das Gel, dass der Bayern -Doc auf mein Knie geschmiert hatte.
    „Ach Quatsch!“, schimpfte Raban und versuchte, sich von dem Schock zu erholen. „Das ist doch Unsinn. Deshalb sind wir nicht hier.“
    „Genau!“, zischte mein Bruder. „Raban hat Recht!“
    „Und woher willst du das wissen?“, fragte ich ihn.
    „Weil ich mich verzählt habe, Klugscheißer!“, antwortete er und grinste mich an. „Erinnerst du dich? An dem Sonntag, an dem der Unfall passiert ist? Da hab ich dir doch gesagt, dass ich dich schon 89 Mal umgebracht hab. Aber das war ’ne Lüge. Ich war erst bei 60. Das heißt, du hast noch dreißig Mal gut.“
    Ich rollte die Augen. Das konnte nicht wahr sein. Das war die verrückteste Theorie, die ich je gehört hatte. Doch Leon glaubte wirklich daran. Er ballte die Fäuste. Er presste die Fingernägel in seine Handballen hinein und starrte den Bayern -Doc an.
    „Er hat noch dreißig Mal gut!“, flüsterte er. „Bitte sagen Sie das! Ich will nicht Schuld daran sein, dass es Marlon, die Nummer 10, nicht mehr gibt. Kacke verdammte! Er ist doch mein Bruder!“
    Ja, und in dem Moment fiel es mir ein. Ich hatte selbst dran geglaubt. Kurz vor dem Unfall hatte ich an Leons Drohung gedacht und deshalb ließ auch ich den Bayern -Doc jetzt nicht mehr aus

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