Mars 01 - Die Prinzessin vom Mars
ich sah als letztes das große Messer über ihrer Brust niedergehen.
Inzwischen hatte sich mein Feind von dem Hieb erholt und forderte erneut meine ganze Konzentration, so daß ich mich widerwillig meiner unmittelbaren Gegenwart widmen mußte, obwohl ich nicht bei der Sache war.
Wütend drangen wir immer wieder aufeinander ein, bis ich plötzlich die scharfe Spitze seines Schwertes auf meiner Brust spürte. Ich hatte den Schlag weder parieren noch ihm ausweichen können, so daß ich mich mit ausgestrecktem Schwert und dem ganzen Gewicht auf ihn warf, fest entschlossen, wenigstens nicht allein zu sterben. Ich fühlte den Stahl in meine Brust dringen, mir wurde schwarz vor Augen, in meinem Kopf drehte sich alles, und ich spürte, wie die Knie unter mir nachgaben.
Solas Geschichte
Als ich das Bewußtsein wiedererlangte -, wie ich bemerkte, mußte ich nur kurze Zeit besinnungslos gewesen sein -, sprang ich auf und suchte nach meinem Schwert. Es steckte bis zum Heft in Zads Brust, der entseelt auf dem ockerfarbenen Moos des ehemaligen Meeresbodens lag. Wieder Herr meiner Sinne, stellte ich fest, daß seine Waffe in meine linke Brust gefahren war, doch hatte sie nur das über den Rippen liegende Muskelgewebe verletzt und kam unterhalb der Schulter wieder heraus. Bei meinem Sprung hatte ich mich gedreht, so daß das Schwert lediglich eine schmerzhafte, aber ungefährliche Fleischwunde hinterlassen hatte.
Ich zog es heraus, holte meine Waffe, wandte dem häßlichen Kadaver den Rücken zu und schleppte mich unter Schmerzen und voller Widerwillen zu meinem Gefolge. Das anerkennende Raunen der Marsmenschen begrüßte mich, jedoch ging es an mir vorbei.
Blutend und geschwächt erreichte ich meine Frauen, die, an derartige Vorfälle gewöhnt, die Wunden verbanden und mit den wunderbaren und wirkungsvollen Heilmitteln versorgten, die lediglich gegen unmittelbar tödliche Verletzungen nichts mehr auszurichten vermochten. Man lasse eine Marsfrau gewähren, und der Tod muß sich noch etwas gedulden. Bald hatten sie mich wieder zusammengeflickt, so daß ich, abgesehen von der mit dem Blutverlust zusammenhängenden Schwäche und einer kleinen Entzündung am Rand der Wunde nicht weiter unter diesem Stich zu leiden hatte, der mich auf der Erde unweigerlich für einige Tage aufs Krankenlager geschickt hätte.
Sobald sie mit mir fertig waren, eilte ich zur Kutsche von Dejah Thoris, wo ich meine arme Sola vorfand, den Brustkorb mit Verbänden dick umwickelt. Doch offenbar war sie nicht allzu schwer verwundet, da Sarkojas Dolch den Rand von Solas metallenen Brustornamenten getroffen hatte, so daß er, derart abgelenkt, nur zu einer leichten Kratzwunde geführt hatte.
Beim Nähertreten fand ich Dejah Thoris mit dem Gesicht nach unten auf ihren Seidentüchern und Pelzen liegen. Ihr zierlicher Körper wurde von Schluchzen geschüttelt. Sie bemerkte mich nicht, auch hörte sie nicht, wie ich mit Sola vor der Kutsche redete.
»Ist sie verletzt?« fragte ich Sola, mit einer Kopfbewegung auf Dejah Thoris weisend.
»Nein, sie denkt, du bist tot«, entgegnete sie.
»Und glaubt, daß nun niemand mehr da ist, der der Katze ihrer Großmutter die Zähne putzen kann?« erkundigte ich mich lächelnd.
»Ich glaube, du tust ihr Unrecht, John Carter«, erwiderte Sola. »Ich verstehe weder dein noch ihr Verhalten, doch ich bin überzeugt, die Enkelin der zehntausend Jeddaks würde sich niemals über den Tod eines Menschen derart grämen, von dem sie nichts hält, oder überhaupt über niemanden, dem sie nicht äußerst zugeneigt wäre. Sie sind ein stolzes Volk, aber sie sind gerecht wie alle Barsoomier, und du mußt sie verletzt oder ihr ernsthaft unrecht getan haben, so daß sie dich nicht wahrnimmt und dich als tot beweint, obgleich du am Leben bist.«
»Tränen sind auf Barsoom sehr selten«, fuhr sie fort. »Daher fällt es mir sehr schwer, sie zu erklären. Ich habe in meinem ganzen Leben außer Dejah Thoris nur zwei Leute weinen sehen; den einen aus Kummer, den anderen vor unterdrückter Wut. Das erste Mal war es meine Mutter, bevor sie vor Jahren getötet wurde; das andere Mal Sarkoja, als man sie heute von mir wegzog.«
»Deine Mutter?« rief ich aus. »Sola, du kannst deine Mutter doch gar nicht kennen, du Kind.«
»Doch. Und auch meinen Vater«, fügte sie hinzu. »Wenn du die seltsame und in Barsoom einmalige Geschichte hören willst, komm heute abend zu meinem Wagen, John Carter, und ich erzähle dir etwas, worüber ich in meinem
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