Mars 01 - Die Prinzessin vom Mars
Leben noch nie gesprochen habe. Jetzt mußt du gehen, das Signal zum Abmarsch wurde gegeben.«
»Ich komme, Sola«, versprach ich. »Vergiß nicht, Dejah Thoris zu erzählen, daß ich am Leben bin und es mir gut geht. Ich werde mich ihr nicht aufdrängen, und laß sie, bitte, auch nicht erfahren, daß ich sie habe weinen sehen. Wenn sie mit mir sprechen möchte, warte ich nur auf ihren Befehl.«
Sola setzte sich in ihr Fahrzeug, das sich an der richtigen Stelle einreihte, während ich zu meinem wartenden Thoat eilte und zu meinem Platz neben Tars Tarkas am Ende des Zuges galoppierte.
Es mußte ein höchst beeindruckender und wirkungsvoller Anblick sein, wie unsere Kolonne sich weit über die gelbe Landschaft hinzog; die zweihundertfünfzig verzierten und in leuchtenden Farben bemalten Fahrzeuge, angeführt von etwa zweihundert berittenen Kriegern und Befehlshabern, die jeweils im Abstand von einhundert Yards zu fünft nebeneinander ritten, und den mindestens zwanzig Kriegern, die den Zug zu beiden Seiten begleiteten. Dann kamen fünfzig Dickhäuter, jene schweren Zugtiere, die man als Zitidars bezeichnete, danach fünf- bis sechshundert unberittene Thoats, die von einigen Kriegern vorangetrieben wurden. Das glänzende Metall und die Edelsteine, mit denen Männer und Frauen reichhaltig geschmückt waren, verdoppelt im Zaumzeug der Zitidars und Thoats, sowie die eingestreuten strahlend bunten und prunkvollen Seidentücher, Pelze und Federn verliehen der Karawane eine unvorstellbare Pracht, angesichts derer ein ostindischer Maharadscha vor Neid erblaßt wäre.
Die extrem breiten Räder der Fahrzeuge und die dickgepolsterten Pfoten der Tiere bewegten sich geräuschlos auf dem einstigen, nun moosbedeckten Meeresgrund, so daß wir wie ein riesiges Phantom erschienen. Lediglich der kehlige Laut eines Zitadars oder das Geschrei miteinander kämpfender Thoats unterbrachen die Stille. Die grünen Marsmenschen unterhalten sich nur wenig, und dann gewöhnlich so einsilbig und gedämpft, daß es wie das schwache Grollen eines entfernten Gewitters klingt.
Wir querten eine unberührte, moosbewachsene Einöde. Die Pflanzen gaben dem Druck der breiten Räder oder der dicken Pranken nach und richteten sich hinter uns wieder auf, so daß wir nicht die geringste Spur hinterließen. In der Tat hätten wir Geister jener im toten Meer dieses sterbenden Planeten längst Dahingegangenen sein können, solche Totenstille herrschte vor. Zum ersten Mal erlebte ich, daß ein derart riesiger Zug von Menschen und Tieren keinerlei Spuren oder Verschmutzungen zurückließ. Auf dem Mars gibt es keinen Schmutz, außer während der Wintermonate in den kultivierten Gegenden, und sogar diesen bemerkt man kaum, da kein belebender Wind weht.
In dieser Nacht schlugen wir ein Lager am Fuß der Berge auf, die wir seit zwei Tagen ansteuerten. Sie befanden sich am südlichen Ufer des früheren Meeres. Unsere Tiere hatten seit zwei Tagen nichts getrunken, seit fast zwei Monaten überhaupt kein Wasser bekommen, zuletzt kurz nach der Abreise aus Thark, doch Tars Tarkas erklärte mir, daß sie nur wenig benötigten und sich fast unbegrenzte Zeit von dem Moos erhalten könnten, das ganz Barsoom überzieht und in seinen winzigen Zellen genügend Flüssigkeit speichert, um den bescheidenen Flüssigkeitsbedarf der Tiere zu decken.
Nachdem ich meine Abendmahlzeit aus jener käseartigen Substanz und der Pflanzenmilch zu mir genommen hatte, suchte ich Sola auf. die beim Schein einer Fackel gerade an einem von Tars Tarkas Umhängen arbeitete. Bei meinem Nähertreten hob sie den Kopf, und ihr Gesicht hellte sich vor Willkommensfreude auf.
»Ich bin froh, daß du gekommen bist«, sagte sie. »Dejah Thoris schläft, und ich fühle mich einsam. Meine eigenen Leute kümmern sich nicht um mich, John Carter, ich unterscheide mich zu sehr von ihnen. Es ist ein trauriges Dasein, da ich mein Leben unter ihnen fristen muß, und ich wünsche mir oft, ich wäre eine echte grüne Marsfrau ohne Gefühl und Glauben. Doch habe ich die Liebe kennengelernt, und so bin ich verloren.
Ich habe versprochen, dir meine Geschichte zu erzählen, oder besser die meiner Eltern. Nach dem, was ich über dich und die Sitten deines Volkes erfahren habe, bin ich überzeugt, daß dieser Bericht dir nicht seltsam vorkommen wird. Doch unter den grünen Marsmenschen kann sich nicht einmal der älteste erinnern, daß so etwas schon einmal vorgekommen ist. Auch wird in unseren Legenden über Ähnliches
Weitere Kostenlose Bücher