Mars 02 - Die Götter des Mars
beherbergten.
An dieser Stelle öffnete sich die Tür unseres Gefängnisses, und Xodar trat ein.
Er lächelte mich freundlich an, und dabei zeigte sein Gesichtsausdruck Güte - alles andere als Grausamkeit und Rachsucht.
»Da du sowieso nicht fliehen kannst, sehe ich keine Notwendigkeit, dich unter Deck gefesselt zu halten«, sagte er. »Ich werde deine Fesseln durchschneiden, und du kannst mit nach oben kommen. Du wirst etwas sehr Interessantes miterleben, und da du niemals zur Außenwelt zurückkehrst, kann es nicht schaden. Du wirst etwas zu Gesicht bekommen, von dessen Existenz nur die Erstgeborenen und ihre Sklaven wissen - den unterirdischen Eingang ins Heilige Land, dem wirklichen Paradies von Barsoom. Es wird eine ausgezeichnete Lehrstunde für diese Tochter der Therns sein«, fügte er hinzu. »Sie wird den Tempel von Issus erblicken, und vielleicht auch wird Issus sie in ihre Arme schließen.«
Phaidor reckte das Kinn nach oben.
»Was für eine Gotteslästerung ist das, Hund von einem Piraten?« rief sie. »Issus würde eure gesamte Brut auslöschen, wenn ihr jemals ihrem Tempel zu nahe kämet.«
»Dann hast du noch viel zu lernen, Thern«, entgegnete Xodar mit einem häßlichen Lächeln. »Auch beneide ich dich nicht um die Art und Weise, wie du es lernen wirst.«
Als wir oben anlangten, sah ich zu meiner Überraschung, daß das Luftschiff eine riesige Einöde von Eis und Schnee überquerte. Soweit das Auge blicken konnte, war nirgendwo etwas anderes zu sehen.
Dafür konnte es nur eine Lösung geben: Wir befanden uns über dem Gletscher am Südpol. Auf dem Mars gibt es nur an den Polen Eis und Schnee. Unter uns war kein Leben auszumachen. Offenbar befanden wir uns sogar für die großen Pelztiere zu weit südlich, die die Marsmenschen so gern jagen.
Xodar stand neben mir, als ich über die Reling des Schiffes blickte. »Auf welchem Kurs befinden wir uns?« fragte ich ihn.
»Südsüdwest«, entgegnete er. »Du wirst direkt das Tal Otz sehen, wir werden einige hundert Meilen an ihm entlangfliegen.«
»Das Tal Otz!« rief ich aus. »Aber - liegt dort nicht das Land der Therns, von denen ich gerade erst entkommen bin?«
»Ja, du hast in der letzten Nacht dieses Eisland überquert, als wir dir hinterhergejagt sind. Das Tal Otz liegt in einer riesigen Senke am Südpol, tausend Fuß tiefer als das übrige Land, es ähnelt einem gigantischen, runden Kessel. Einige hundert Meilen von seinem nördlichen Rand erhebt sich das Gebirge Otz, das das Tal Dor einschließt. In dessen Mitte wiederum liegt das Verlorene Meer Korus. Am Ufer dieses Meeres steht der Goldene Tempel von Issus, im Land der Erstgeborenen. Dorthin führt uns unser Weg.«
Als ich umherblickte, begann mir zu dämmern, warum in all den Jahrhunderten nur einem einzigen die Flucht aus dem Tal Dor gelungen war. Eher fand ich es erstaunlich, daß überhaupt jemand Erfolg dabei haben konnte. Es war unmöglich, dieses gefrorene, windgepeitschte, riesige Ödland allein und zu Fuß zu überqueren.
»Nur mit einem Flugzeug konnte man ein solches Unternehmen wagen«, führte ich meine Gedanken laut zuende.
»So ist auch jener einzige den Therns vor langen, langen Zeiten entkommen. Niemandem außer ihm gelang jemals die Flucht aus dem Reich der Erstgeborenen«, sagte Xodar, mit einem Hauch von Stolz in der Stimme.
Inzwischen hatten wir den südlichsten Ausläufer der mächtigen Eisdecke erreicht. Sie endete jählings an einem tausend Fuß hohen Eiswall, dem sich flaches Land anschloß. Dort erhoben sich hier und da niedrige Hügel, man sah Baumgruppen sowie winzige Flüsse, die sich am Fuße der Eisbarriere durch Schmelzwasser gebildet hatten.
Einmal überquerten wir eine tiefe Gebirgsspalte, sie führte von der nun nördlich gelegenen Eiswand quer durch das Tal. Man konnte nicht sehen, wo sie schließlich endete. »Das ist der Fluß Iss«, erklärte Xodar. »Er fließt unter der Eisdecke und tief unter dem Tal Otz entlang, hier jedoch liegt das Flußbett offen.«
Bald darauf entdeckte ich etwas - ich hielt es für ein Dorf. Ich wies darauf und fragte Xodar, was es sei.
»Es ist ein Dorf von verlorenen Seelen«, entgegnete er lachend. »Dieser Streifen zwischen der Eisgrenze und dem Gebirge gilt als neutraler Boden. Einige Pilger brechen die freiwillige Wallfahrt entlang des Iss ab, erklimmen die furchteinflößenden Hänge der Schlucht unter uns und bleiben dann hier. Auch flieht ab und zu ein Sklave von den Therns hierher. Man bemüht sich
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