Mars 02 - Die Götter des Mars
Erkenntnis, daß mir bei Berechnung der Zeit, die ich in der pechschwarzen Finsternis meiner Zelle gelegen hatte, ein Fehler unterlaufen war. Dreihundertfünfundsechzig Tage waren verstrichen - es war zu spät, Dejah Thoris zu retten.
Ziel der Expedition war also nicht Rettung, sondern Rache. Ich teilte Kantos Kan die schreckliche Tatsache nicht mit, daß die Prinzessin von Helium, ehe wir hoffen konnten, den Tempel von Issus zu betreten, nicht mehr am Leben sein würde. Nach allem, was ich wußte, war sie jetzt schon tot, denn ich hatte keine Ahnung, wann genau sie das erste Mal Issus erblickt hatte.
Was hatte es für Sinn, meine Freunde zusätzlich noch mit meinen persönlichen Sorgen zu belasten - sie hatten sie in der Vergangenheit oft genug mit mir geteilt. Ich wollte meinen Kummer für mich behalten. Deshalb sagte ich keinem, daß wir zu spät kamen. Die Expedition konnte dennoch viel ausrichten, und wenn sie dem Volk von Barsoom nur die Tatsache der grausamen Täuschung vor Augen führte, denen sie unzählige Zeitalter ausgesetzt gewesen waren. Auf diese Weise würde Tausenden jedes Jahr das gräßliche Schicksal erspart, das sie am Ende ihrer freiwilligen Pilgerfahrt erwartete.
Konnte sie den roten Menschen das schöne Tal Dor öffnen, wäre schon viel erreicht, und im Land der Verlorenen Seelen zwischen den Bergen von Otz und der Eisbarriere lagen viele weite Äcker, die keiner Bewässerung bedurften, um reiche Ernten zu tragen.
Hier auf dem Grund einer sterbenden Welt befand sich das einzige produktive Gebiet seiner Oberfläche. Hier allein gab es Tau und Regen, hier allein ein offenes Meer, hier war Wasser in Hülle und Fülle. Dabei war all dies nur der Herrschaftsbereich wilder Bestien, sperrten die bösartigen Abkömmlinge zweier einst mächtiger Rassen alle anderen Millionen von Barsoom von seinen schönen und fruchtbaren Flächen aus. Würde es mir nur gelingen, die Barriere religiösen Aberglaubens einmal niederzureißen, die die roten Rassen von diesem El Dorado ferngehalten hatte, so hätte ich den unsterblichen Tugenden meiner Prinzessin ein angemessenes Denkmal gesetzt - ich hätte Barsoom wieder einen Dienst erwiesen, und Dejah Thoris' Märtyrertod wäre nicht umsonst gewesen.
Am Morgen des zweiten Tages ließen wir die große Flotten von Transportern samt Begleitschiffen bei den ersten Anzeichen der Dämmerung aufsteigen, und bald waren wir nahe genug, um Signale auszutauschen. Ich kann an dieser Stelle erwähnen, daß in Kriegszeiten Radioaerogramme selten benutzt werden, für die Übermittlung von Geheimnachrichten schon gar nicht, denn sooft eine Nation einen neuen Schlüssel entdeckt oder ein neues Gerät zur drahtlosen Nachrichtenübermittlung erfindet, setzen ihre Nachbarn alles daran, diese Botschaften abzufangen und zu übersetzen. Das war so lange Brauch gewesen, daß praktisch jede Möglichkeit drahtloser Kommunikation erschöpft war und keine Nation wagte, Funksprüche von Bedeutung auf diesem Weg zu übermitteln.
Tars Tarkas meldete, mit den Transportern sei alles in Ordnung. Die Schlachtschiffe fuhren durch, um eine günstige Position einzunehmen, und nun schwebten die vereinigten Flotten langsam über die Eiskappe, wobei sie sich dicht über dem Boden hielten, um einer Entdeckung durch die Therns zu entgehen, deren Land wir uns näherten.
Allen weit voraus schützte uns eine dünne Linie von Einmann-Luftaufklärern vor Überraschungen. Sie deckten uns auch an den Flanken, während eine kleine Anzahl etwa zwanzig Meilen hinter den Transportern die Nachhut bildete. In dieser Formation flogen wir einige Stunden zum Eingang nach Omean, als einer unserer Kundschafter aus der vordersten Reihe meldete, der konusartige Gipfel des Eingangs sei gesichtet worden. Fast im gleichen Augenblick kam ein anderer Aufklärer von der linken Flanke zum Flaggschiff gejagt.
Seine große Geschwindigkeit bezeugte die Bedeutung seiner Information. Kantos Kan und ich erwarteten ihn auf dem kleinen Vorderdeck, das der Kommandobrücke von maritimen Schlachtschiffen entspricht. Kaum war sein winziges Flugzeug auf dem breiten Landedeck des Flaggschiffs zum Halten gekommen, kam er auch schon die Treppe zu dem Deck heraufgestürzt, wo wir standen.
»Eine große Flotte von Schlachtschiffen in Süd-Süd-Ost, mein Prinz«, sagte er. »Es müssen mehrere Tausend sein, und sie kommen direkt auf uns zu.«
»Die Thernspione waren als nicht umsonst im Palast von John Carter«, sagte Kantos Kan zu mir. »Ihre
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