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Mars Live

Mars Live

Titel: Mars Live Kostenlos Bücher Online Lesen
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Natascha Kirow.
    Zwölf. Elf. Zehn. Krümmte sich Jeffries, oder lag es an der Tasche auf seinem Schoß, oder bildete sie sich das nur ein? Glamour sah wie ein Wahnsinniger aus. Acht. Sieben. Natascha Kirow grinste zu Bass hinüber. Zwei. Eins.
    »Klar zum Vorzünden.«
    »Klar zum…«
    … und sie drückte den Auslöser, genau wie bei ihrer Schießübung am Moskauer Gymnasium, während die Computer das Ziel anvisierten: alle Mädchen sollten lernen zu schießen: ein winziges granatfarbenes Ziel, versteckt hinter der Sonne: eine Million, nein, eine Million-Millionen Kilometer weit…
    »Klar zur Zündung.«
    »Klar zum Abheben.«
     
    Nicht lange nachdem sein richtiger Vater aufgetaucht oder zum Auftauchen gezwungen worden war, heiratete seine Mutter wieder und zog nach Cincinnati. Sein Stiefvater schickte ihn auf eine Privatschule, die hauptsächlich von weißen Kindern besucht wurde. Nachdem man ihm zum zweitenmal die Nase blutig geschlagen hatte, rannte er davon; er marschierte über die Eisenbahnbrücke nach Kentucky, wo ihn ein schwarzer Eisenbahner in einen Güterwagen einschmuggelte, der ihn nach Atlanta bringen sollte, wo sein Vater im Gefängnis saß und seine Großmutter noch lebte. Er war zwölf, aber er sah wie sechzehn aus, sonst hätte ihn der Eisenbahner nach Hause geschickt. Er schlief ein und wachte im Dunkeln auf. Der Boden des Wagens war kalt, und der Zug bewegte sich nicht. Einen unendlich erscheinenden, angstvollen Augenblick lang konnte er sich weder an seinen alten noch an seinen neuen Namen erinnern. Dann hörte er etwas, das sich wie Donner anhörte; es war noch weit weg, kam jedoch näher. Aus irgendeinem Grund glaubte er, es käme von ihm. Er beugte sich aus dem Güterwagen, um nachzusehen. Plötzlich schlug etwas brutal auf ihn ein, riß ihm den Boden unter den Füßen weg und knallte ihm die Tür ins Gesicht. Er stürzte und sah, daß sich der Zug bewegte und mit einem langgezogenen lauten Getöse den Kohlengrus zwischen den ungedämpften Wagenkupplungen zermalmte. Als der Wagen das nächstemal langsamer wurde, sprang er ab und rief seinen Stiefvater, Dr. Jeffries, an, der kam und ihn abholte. Er war siebzig Meilen weit gekommen. Er nahm ein Bad und ging zu Bett. Er besuchte weiterhin die Schule, durchlief das College und studierte weiter.
    Als Delta V ablief, war das ein Getöse, als ob ein Donnerschlag die langen Knochen des Schiffes erschütterte. Jeffries war diesmal, wie jedesmal, nicht darauf vorbereitet, und er fühlte sich betrogen und hilflos. Das Dröhnen war hinter und über ihm und um ihn herum; es warf den Kopf zur Seite und drückte die schwarze Tasche auf seinem Schoß gegen seinen Bauch. Das Ganze dauerte nicht länger als das Anheben einer Hand. Auch diesmal ertappte er sich dabei, daß er dagegen ankämpfte zu weinen.
     
    Aus der Ferne sah man nichts anderes als eine plötzliche silberne Sternenexplosion; eine kristallene Wolke aus Wasserdampf, die wie eine weiße Rose erblühte. Sekunden später schwappte eine lautlose Lichtwoge über die Alte Pagode von Moulmein. Als sie abebbte, verblaßte auch die weiße Rosenwolke, und das Schiff, das in ihr gewesen war, war verschwunden. »Wir sehen uns beim Raumfahrer-Ball«, sagte Johnson salutierend, während er sein Schiff für den Wiedereintritt vorbereitete.
     
    Zwei Minuten lang waren sie schwerer, als Menschen jemals sein dürften. Vier Minuten. Sechs Minuten. Fonda-Fox wog 865 Pfund und hatte Schwierigkeiten mit dem Atmen. Beverly Glenn (560 Pfund) sah an sich hinab und bemerkte zum erstenmal seit jenem Sommer, an dem sie zwölf geworden war, daß sie flachbrüstig war. Glamour, mit 430 Pfund, spürte, daß das Grinsen auf seinem Gesicht eingefroren war und seine Augen ständig geöffnet blieben. Das Schiff wurde dunkel (war das normal?). Das ferne Dröhnen kam näher, dann hörte es auf. Es gab keine Laute, nur Stöhnen: und das war noch grauenvoller, als Fonda-Fox bewußt wurde, daß das Stöhnen flachgequetschte Schreie waren…
    Als die Schwerelosigkeit diesmal eintrat, war es nicht wie Fliegen, sondern wie Geworfenwerden. Glamour knirschte mit den Zähnen und wartete darauf, irgendwo aufzuprallen. Nach der Wucht der Beschleunigung dauerte es ein paar Minuten, bis man begriff, daß null Ge nicht nur das Ausholen für einen erneuten Schlag war. Ein Seufzen entrang sich Beverly Glenns Brust, und Fonda-Fox stellte fest, daß ein Seufzen lediglich ein schwereloses Stöhnen war.
    Sie fielen. Sie würden anderthalb Jahre

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