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Mars Live

Mars Live

Titel: Mars Live Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schiff (genauer gesagt der Schirm) entfaltet hätte, bevor es in die für die Stabilisierung der Temperatur nötige langsame Kreiseldrehung übergegangen wäre, hätte die Zentrifugalkraft am Ende der Wohnzylinder eine leichte Simulation der Schwerkraft herbeigeführt. Doch da sie wußten, daß sie die Zeit ohnehin schlafend verbringen würden, hatten sich die Marsreisenden dagegen entschieden. Die Schwerkraft war, wie es der blinde Passagier ausgedrückt hatte, eine Plackerei. Während die Zylinder entlang der Achse zusammengefaltet waren, verursachte die Kreiseldrehung nur eine schwache Ahnung von Gewicht, so daß die Schlafenden wie Schmetterlinge inmitten des Kudsu schwebten und bei jedem Atemzug, Seufzer und Traum von den gewölbten Wänden wegdrifteten.
    Der Achstunnel war kalt. Die Wände waren feucht und schimmelig, und Bass spürte durch sie hindurch das unendliche, rücksichtslose Vakuum des Raums, das an seinen Knochen saugte. Das Schiff war still wie eine Grabkammer. Es war kaum zu glauben, daß sie nur sechs Monate lang geschlafen hatten. Es kam einem mehr wie tausend Jahre vor. Am Ende der mittleren Röhre, weit vor ihnen, war ein Licht.
    Einen Augenblick lang dachte Bass, er hätte die Lampen auf der Brücke angelassen. Darin fiel ihm ein, wo sie waren: sie sackten in den lumineszierenden Gravitationstrichter der Venus. Er stellte fest, daß die Brücke in ein gespenstisches Licht getaucht war, das keinem Licht glich, das er oder irgendein anderer Mensch jemals zuvor gesehen hatte.
     
    Während Glamour sich zu Bass auf die Brücke gesellte, trennte Jeffries die Schläfer voneinander. Vielleicht als Reaktion auf die Einsamkeit im Weltraum waren sie zusammengeschwebt und hatten sich zu einem Bündel aneinandergedrängt. Sie mußten alle paar Monate voneinander getrennt werden, damit sie beim Erwachen nicht wie Wölfe aufgrund ihres Geruchs zusammenklebten.
    Beverly Glenn und Fonda-Fox schliefen aneinandergekuschelt wie kleine Hunde. Sie schnarchte sanft, und die goldenen Locken, die sie gern unter einer Mütze verbarg, umrahmten ihre pfirsich- und cremefarbenen Wangen. Ihre Gesichter waren dicht beieinander, und ihre Züge vermischten sich zu einer genetischen Erinnerungswolke: für Jeffries war es wie die Montage von Standfotos aus alten Filmen; all die vertrauten, geliebten Antlitze aus fünfzig Kinojahren zusammengemischt.
    Beverly Glenn hätte in dieser Schicht gemeinsam mit Bass, Glamour und Jeffries aufwachen sollen, doch irgend etwas war mit ihrem Kontaktpflaster falsch gelaufen. Jeffries prüfte ihren Puls und ihre Temperatur von Hand, bevor er auf den Körperfunktionsanzeiger blickte: alles war in Ordnung. Sie würden achtundvierzig Stunden Wachzustand vor sich haben, und sie hatten ausreichend Zeit, um aufzuwachen.
    Er zog Fonda-Fox von ihr weg und ließ ihn zur Decke schweben.
    Greetings Brother Buffalo, der blinde Passagier, und die Kirow schliefen zusammen in der Kuhle einer großen sibirischen Kudsu-Ranke. Greetings’ blaues Auge und die dicke Lippe waren längst verheilt, und Jeffries löste die Klemme des Gipsverbandes von ihrem Arm und untersuchte den Knochen mit seinem Spektrometer. Er war bereits wieder zusammengewachsen; er nahm den Gips ab und verband den Arm neu mit einem Aleotuch, wobei er das Datum und den Vermerk daraufschrieb, daß es in drei Monaten gewechselt werden müsse. Als Sanitätsoffizier würde er bei jedem Schichtwechsel aufwachen.
    Natascha Kirow sah sowohl streng als auch mütterlich aus, wie sie ihre Mütze tief über die Augen heruntergezogen und den Arm um die Schulter des Mädchens gelegt hatte. Jeffries machte sich daran, die beiden zu trennen, doch nach kurzem Überlegen ließ er sie beieinander. Die Kleine war ein besonderer Fall, ihr konnte es nicht schaden, wenn sich jemand ihrer annahm.
     
    »Mary Poppins an Erde. Mary Poppins an Erde, bitte kommen. Bitte kommen, Mission Design.«
    Da sie 51.571.210 Kilometer von der Erde entfernt waren, brauchte die Botschaft fast drei Minuten, um nach Kalifornien zu gelangen, und weitere drei für den Rückweg. Bass legte sich in seinem Sitz zurück und sah zu, wie der Planet vor ihnen allmählich seine Rotation einstellte, während die Servos gleichzeitig die Brücke in eine stationäre Stellung brachten. Glamour, der von dem sich immer noch drehenden Achstunnel zur Brücke kam, mußte sich an der Rückseite eines Sitzes festhalten, um sein eigenes langsames Trudeln zu stoppen.
    Nach zwölf Minuten unternahm Bass

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